MDK-Reformgesetz

Neuorganisation oder Erosion der Selbstverwaltung

Das Wort Erosion hat seinen Ursprung im lateinischen erosio, was so viel bedeutet wie „das Zerfressenwerden“. Mit Blick auf den am 2. Mai 2019 vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) veröffentlichen Referentenentwurf für ein „Gesetz für bessere und unabhängigere Prüfungen – MDK-Reformgesetz“ kommt durchaus das Bild des Zerfressenwerdens der sozialen Selbstverwaltung in den Sinn. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn formuliert das so: Zur Stärkung der Unabhängigkeit der Medizinischen Dienste werden die organisatorischen Strukturen verändert.

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Der Referentenentwurf sieht vor, dass aus den heutigen Medizinischen Diensten der Krankenkassen (MDK) Medizinische Dienste (MD) werden. Fortan sind sie bundesweit einheitlich Körperschaften des öffentlichen Rechts und nicht länger Arbeitsgemeinschaften der Krankenkassen. Der bisherige Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) soll herausgelöst und als Dachorganisation der MD neu gegründet werden.

Zusätzlich soll die Besetzung der Verwaltungsräte als maßgebliche Entscheidungsgremien der MD völlig neu geregelt werden. Heute werden die Verwaltungsräte durch die Krankenkassen besetzt. Künftig ist vorgesehen, dass neben sechs Vertreterinnen und Vertretern der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) auch sechs Vertreter der Patientinnen und Patienten, der Pflegebedürftigen und der Verbraucher sowie zwei Vertreter der Ärzteschaft und zwei Vertreter der Pflegeberufe im Verwaltungsrat vertreten sind. Gewählte Mitglieder eines Verwaltungsrats einer Krankenkasse oder deren Verbände sowie hauptamtlich bei einer Krankenkasse oder deren Verbänden Beschäftigte sollen nicht mehr in den Verwaltungsrat eines MD gewählt werden. Für diese gilt eine zwölfmonatige Karenzzeit.

Betrachtet man die Neuorganisation der MD in einer Gesamtschau mit den geplanten Regelungen des Faire-Kassenwahl-Gesetzes (GKV-FKG) zur Besetzung des Verwaltungsrats des GKV-Spitzenverbands, so wird das Bild des Zerfressenwerdens erneut überdeutlich. Bei den MD sollen zukünftig Vertreter der Leistungserbringer – Pflegeberufe und Ärzte – mit Sitz und Stimme in den Verwaltungsräten über jene Prüfrichtlinien entscheiden, die auf sie selbst Anwendung finden. Da stellt sich die Frage, wer überwacht die Bewacher? Die geplante Neubesetzung steht dem gesetzlichen Ziel des MD als fachlich unabhängige Beratungs- und Begutachtungsinstitution zur Sicherung einer bedarfsgerechten Versorgung entgegen.

Finanzierung liegt weiterhin bei den Kassen

Trotz der massiven Umbaupläne soll sich an der Finanzierung der MD nichts ändern. Weiterhin sollen allein die Kranken- und Pflegekassen die MD über Umlagen finanzieren. Trotz einer vorgesehenen Sperrminorität bei Haushaltsfragen besitzen die Vertreter der Krankenkassen bei den Entscheidungen zur Mittelverwendung etc. keine eigene Stimmenmehrheit. Entscheidungen zulasten Dritter dürfen nicht ermöglicht werden.

Aus Sicht der Ersatzkassen setzt das BMG mit der MDK-Reform den Kurs der Zerschlagung der sozialen Selbstverwaltung weiter fort. Die geplanten Neuregelungen sollen dabei eine stärkere Unabhängigkeit im Geschäft der MD suggerieren. Die demokratisch gewählten Vertreterinnen und Vertreter der sozialen Selbstverwaltung werden künftig aber keine entscheidungsbildenden Mehrheiten in den Verwaltungsräten der MD mehr besitzen, obwohl die Krankenkassen weiterhin durch Umlage die MD vollständig finanzieren sollen.

Der Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek) lehnt die gravierende Neuorganisation der MDK-Gemeinschaft und die damit verbundenen tiefen Eingriffe in die soziale Selbstverwaltung strikt ab. In der Vergangenheit hat sich die Vertretung der Interessen der Patientinnen und Patienten sowie der Versicherten durch die in der Sozialwahl legitimierten Mitglieder der sozialen Selbstverwaltung bewährt.

Zweiter Regelungsschwerpunkt neben der MDK-Reform ist die Neuordnung der Krankenhausabrechnungsprüfung (s. Seite 12). Die neuen MD sollen wie zuvor die MDK die Abrechnungen der Krankenhäuser für die Krankenkassen prüfen. Es ist zu befürchten, dass durch die MDK-Reform das Prüfgeschäft künftig durch Leistungserbringer wesentlich mitgesteuert wird. Wichtige Wirtschaftlichkeitskriterien drohen damit in den Hintergrund zu rücken.

Der Entwurf enthält darüber hinaus noch Regelungen zur Definition des Katalogs für ambulante Operationen und stationsersetzende Eingriffe sowie neue Regelungen zu bundesweiten Statistiken, die mehr Transparenz über das Abrechnungs- und Prüfgeschehen herstellen sollen.

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