Europa

Das Spiel beginnt aufs Neue

Illustration: EU am runden Tisch, Gruppe von Menschen im Hintergrund die EU-Flagge

Normalerweise ist Brüssel während des Sommers ausgestorben und es kehrt Stille ein. Dieser Sommer ist jedoch ein besonderer Sommer. Es ist der Sommer nach den Wahlen und der Sommer, indem die Spitzenposten in Brüssel aufs Neue vergeben werden. Dafür hat sich die Association Internationale de la Mutualité (AIM) mit einem Memorandum für die kommende Legislaturperiode der Europäischen Union (EU) vorbereitet. 

Mit den in dem Memorandum genannten Prioritäten versucht die AIM, im Kompromiss mit allen Mitgliedern frühestmöglich Einfluss auf das zukünftige Arbeitsprogramm der EU-Kommission zu nehmen. Unsere Schwerpunkte sind: 

  • Prävention stärken

  • Zu einem nachhaltigen Arzneimittelzugang beitragen

  • Medizinisch-pflegerische Innovation auf EU-Ebene fördern

  • Eine internationale Sichtweise annehmen für die Weiterentwicklung eines universellen Zugangs zu Gesundheitsversorgung

  • Gegenseitigkeitsgesellschaften als Akteure der Sozialwirtschaft anerkennen 

Anfang Juli 2019 also traten die Staats- und Regierungschefs der EU zusammen und einigten sich in mühseligen Verhandlungen auf die Besetzung der Spitzenposten der EU. Zum ersten Mal seit 61 Jahren wird wieder eine Deutsche die Spitze der Kommission anführen. Ursula von der Leyen wurde mit einer knappen Mehrheit von 383 Stimmen als erste weibliche Präsidentin der EU-Kommission gewählt. 

Sie steht vor einer gewaltigen Aufgabe: Im EU-Parlament sind mehr Populisten vertreten als je zuvor. Die Mehrheiten haben sich verändert. Die traditionellen Parteien haben an Einfluss verloren. Der Brexit steht vor der Tür. Europa kennt mehr Vielfalt denn Einheit, muss sich im globalen Wettbewerb gegen Großmächte wie China und den USA behaupten. Und – was für uns als AIM am Wichtigsten ist – Europa steht vor großen sozialen und gesundheitspolitischen Herausforderungen. All das und noch viel mehr wird von der Leyen mit ihrem neuen Team bewältigen müssen. 

Innerhalb von zwei Wochen arbeitete sie eine Agenda für ihr Mandat aus und vermochte eine Mehrheit im Parlament für sich zu gewinnen. Viele Zögerer ließen sich im letzten Moment von ihrer leidenschaftlichen, in drei Sprachen vorgetragenen Rede noch überzeugen. Sie hat sich für ihre Amtszeit vor allem folgende Schwerpunkte gesetzt: 

  • Ein europäischer „Green Deal“

  • Eine Wirtschaft, die für Menschen arbeitet

  • Ein Europa, das fit ist für die Digitalisierung

  • Der Schutz des Europäischen „way of life“

  • Ein stärkeres Europa in der Welt

  • Ein neuer Anstoß für die europäische Demokratie 

Auf den ersten Blick finden sich keine direkten Bezüge zu Gesundheit und Sozialem. Bei genauerem Hinsehen jedoch platziert von der Leyen die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger der EU und der Welt an erster Stelle. Sie sieht Gesundheit durch die Verschlechterung des Zustandes unserer Umwelt und des Klimas in Gefahr und schlägt eine übergreifende Strategie zum Schutz der Gesundheit der Bürger vor. Sie will eine Europäische Kindergarantie unterstützen, die unter anderem auch dafür sorgt, dass Kinder Zugang zur Gesundheitsversorgung bekommen. Gesundheit ist für von der Leyen ein Grundrecht. Auch nennt sie einen europäischen Plan für den Kampf gegen Krebs. 

Was den Sozialschutz anbelangt, soll ein Aktionsplan für die volle Implementierung der Säule der sozialen Rechte und Europa auf die demografischen Herausforderungen vorbereiten. Dabei gelte es laut von der Leyen, den Markt mit dem Sozialen zu versöhnen. Soziale Fairness und Gemeinwohl stehen für sie an erster Stelle. Zudem plant sie ein neues Anti-Diskriminierungsgesetz und eine europäische Gender-Strategie. Ein wichtiger Punkt ist die Digitalisierung und die Bedeutung von Daten, Künstlicher Intelligenz (KI) und die damit verbundenen Innovationen, die auch dem Gesundheitssektor zugutekommen könnten. Zur KI will sie ein Gesetzesvorhaben einbringen, das für eine koordinierte Herangehensweise der menschlichen und ethischen Auswirkungen der KI sorgen soll. 

Es wird sich zeigen, welche ihrer Projekte eine Mehrheit sowohl im Parlament als auch im Rat gewinnen werden. Angesichts der in vielen Ländern schwelenden sozialen Konflikte und der Nöte der Menschen wird sich die neue EU-Kommission noch stärker auch dem Sozialen zuwenden müssen. Angesichts der neuen Mehrheitsverhältnisse im EU-Parlament wird der Druck auf mehr Soziales auch von dieser Seite noch erhöht werden. Wir stehen in Europa vor großen gesellschaftlichen Herausforderungen und technologischen Entwicklungen, die die Gesundheitsvorsorge stark verändern werden. Von Nachbarn zu lernen und über den Tellerrand zu schauen, wird auch in Zukunft wichtig bleiben. 

Plattform für die Krankenversicherung 

Die EU bietet den Krankenversicherern eine exzellente Plattform, um Erfahrungen auszutauschen und gemeinsam mit ihren Partnern für ein sozialeres Europa einzustehen. Für die AIM bietet jede neue Legislaturperiode eine Möglichkeit, ihre Prioritäten aufs Neue anzupassen und ihre Werte und Ideen einzubringen. Dafür müssen neue Allianzen geschmiedet und Kontakte mit den neuen Europaparlamentariern, zuständigen Kommissaren und ihren Kabinetten aufgebaut werden. AIM hat mit dem Memorandum den Weg für eine gute Zusammenarbeit mit den Institutionen der EU geebnet. Jetzt geht es darum, diese Vorhaben zu konkretisieren und mit dem Programm der neuen EU-Kommission abzugleichen, das wir für Ende dieses Jahres erwarten. 

www.aim-mutual.org unter Media Centre/Other Publications

https://ec.europa.eu unter Prioritäten der Kommission/Ursula von der Leyen

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