MDK-Reform

Loslösung von den Kranken- und Pflegekassen

Der Gesetzgeber hat nach vielen Debatten in den letzten Jahren über die Unabhängigkeit des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) von den Kranken- und Pflegekassen nach Ankündigung für einen transparenteren und unabhängigeren Medizinischen Dienst (MD) mit dem MDK-Reformgesetz ernst gemacht. Das Gesetz wurde Anfang November 2019 vom Bundestag verabschiedet und tritt am 1. Januar 2020 in Kraft.

Illustration: Verwaltungsrat des Medizinischen Dienstes

Der Gesetzgeber hat die Kranken- und Pflegekassen beauftragt, innerhalb der Solidargemeinschaft ausreichende medizinische und pflegerische Leistungen zu gewähren, so sie zweckmäßig und wirtschaftlich sind. Demnach sind die Kranken- und Pflegekassen verpflichtet, in gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer, Häufigkeit oder Verlauf der Erkrankung erforderlich ist, den MDK zu beauftragen, eine medizinische oder pflegefachliche Begutachtung durchzuführen. Die Empfehlung des MDK ist Grundlage für die Leistungsentscheidung der Kranken- und Pflegekasse.

Die Grundlage zur Durchführung von Einzelfallbegutachtungen sind bundesweit einheitliche Richtlinien und Empfehlungen. Innerhalb dessen sind die Gutachter nur ihrem medizinischen Wissen und Gewissen unterworfen und in ihrer gutachterlichen Entscheidung nicht weisungsgebunden. Der MDK wird durch eine Umlage finanziert, die sich auf die Gesamtleistung des MDK und nicht auf die Begutachtung im Einzelfall bezieht. Weiterhin sind die Aufgaben des Verwaltungsrates gesetzlich auf die Gesamtorganisation des MDK fixiert. Ein Eingriff in die Einzelfallbegutachtung ist auch hier ausgeschlossen.

Trotz dieser klaren gesetzlichen Regelungen für eine unabhängige medizinische und pflegerische Begutachtung bewegt sich der MDK in einem Spannungsfeld. Auf der einen Seite stehen die gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen als Solidargemeinschaft und Träger der MDK mit klarem gesetzlichem Auftrag. Auf der anderen Seite stehen die Patienten und Pflegebedürftigen sowie Leistungserbringer. Sie sehen mit ihrer individuellen Wahrnehmung den MDK als Instanz, die Leistungsanträge empfehlen, aber auch ablehnen kann. Dieses Spannungsfeld löste in den letzten Jahren immer wieder
politische Debatten über die Unabhängigkeit des MDK von den Kranken- und Pflegekassen in der Ausübung seiner Tätigkeit aus.

Gesetzgeber sieht Lösung in einer Organisationsreform

In der Konsequenz verfolgt der Gesetzgeber mit der MDK-Reform das Ziel, dass der MDK in Zukunft in der öffentlichen Wahrnehmung verstärkt als unabhängige Körperschaft wahrgenommen wird. Deshalb ging es dem Gesetzgeber weniger darum, die Aufgaben zu verändern, sondern vielmehr darum, den MDK organisatorisch von den Kranken- und Pflegekassen zu lösen. Die MDK werden zukünftig nicht mehr als Arbeitsgemeinschaften in Trägerschaft der Landesverbände der Krankenkassen und der Ersatzkassen organisiert, sondern gleichermaßen als Körperschaften des öffentlichen Rechts in jedem Bundesland umgewandelt und als Medizinische Dienste (MD) geführt. Dennoch erfolgt die Finanzierung weiterhin und ausschließlich durch die Kranken- und Pflegekassen.

Kern der Reform ist die Neugestaltung der Besetzung der Verwaltungsräte. Bisher war der Verwaltungsrat ausschließlich mit bis zu 16 Vertreterinnen und Vertretern der Kranken- und Pflegekassen (bis 25 Prozent Hauptamtliche) besetzt. Zukünftig wird der Verwaltungsrat aus 16 stimmberechtigten Vertretern der Kranken- und Pflegekassen, je zur Hälfte Frauen und Männer und maximal für zwei Legislaturperioden, durch Wahl der Verwaltungsräte der Landesverbände der Krankenkassen und der Ersatzkassen bestehen. Beschäftigte der Krankenkassen oder ihrer Verbände sowie Personen, die bereits
mehr als ein Ehrenamt in einem Selbstverwaltungsorgan eines Versicherungsträgers, deren Verbände oder eines anderen MD innehaben, dürfen nicht mehr gewählt werden. Das schließt Ämter bei gesetzlichen Renten- und Unfallversicherungen mit ein.

Änderungen beim Verwaltungsrat

Neu ist auch, dass zukünftig neben den Vertretern der Kassen noch weitere fünf stimmberechtigte Vertreter und zwei nicht stimmberechtigte Berufsvertreter durch Benennung der für die Sozialversicherung zuständigen obersten Verwaltungsbehörde des Landes in den Verwaltungsrat kommen. Die Benennung der weiteren stimmberechtigten Vertreter erfolgt auf Vorschlag der Verbände und Organisationen der Patienten/Pflegebedürftigen/Behinderten und des Verbraucherschutzes. Die zwei nicht stimmberechtigten Berufsvertreter werden jeweils zur Hälfte auf Vorschlag der Landespflegekammer oder der maßgeblichen Organisationen und der Landesärztekammer benannt. Hier stellt sich die Frage, ob die Aufsichtsbehörden im Gegensatz zu den Vertretern der Kranken- und Pflegekassen hauptamtliche Vertreter zulassen werden.

Darüber hinaus wird der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund e. V. (MDS) vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-SV) losgelöst und in die Trägerschaft aller MD als Medizinischer Dienst Bund (MD Bund) übergehen. Der Verwaltungsrat des MD Bund soll sich entsprechend der Besetzung in den MD zusammensetzen und durch die Verwaltungsräte der MD gewählt werden. Der MD Bund koordiniert und fördert, wie bisher der MDS, die Durchführung der Aufgaben und die Zusammenarbeit der MD in medizinischen und organisatorischen Fragen und trägt Sorge für eine einheitliche Aufgabenwahrnehmung. Außerdem berät der MD Bund den GKV-SV in allen medizinischen Fragen.

Darüber hinaus erlässt der MD Bund zukünftig, anstatt wie bisher der GKV-SV, Richtlinien für die Tätigkeit der MD nach dem Sozialgesetzbuch. Dabei hat der MD Bund die Stellungnahmen betroffener Organisationen in die Entscheidung mit einzubeziehen. Die Richtlinien bedürfen stets der Genehmigung des Bundesministeriums für Gesundheit.

Weiterhin können sich Mitarbeiter und Versicherte bei Unregelmäßigkeiten, insbesondere Beeinflussungsversuchen durch Dritte, vertraulich an eine bestellte Ombudsperson wenden. Die Ombudsperson berichtet in anonymisierter Form dem jeweiligen Verwaltungsrat und der zuständigen Aufsichtsbehörde jährlich und bei gegebenem Anlass.

Die Umwandlung und der Übergang aller Rechte und Pflichten erfolgen mit Genehmigung und Veröffentlichung der neuen Satzungen durch die jeweilige Aufsichtsbehörde bis zum 30. Juni 2021 bzw. für den MD Bund bis zum 31. Dezember 2021. Ob die bevorstehenden organisatorischen Veränderungen tatsächlich zu der gewünschten öffentlichen Wahrnehmung des MD als unabhängiger Gutachterdienst führen, bleibt abzuwarten. Denn auch in Zukunft werden die Medizinischen Dienste empfehlen, Leistungen zu befürworten
oder abzulehnen.

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