Personalisierte Medizin

Neuer Therapieansatz bei Lungenkarzinom

Mit neuen, personalisierten Therapieansätzen kann das Überleben von Lungenkrebspatienten verbessert werden. Um jedem Betroffenen eine passgenaue Therapie anbieten zu können, wurde das nationale Netzwerk Genomische Medizin (nNGM) Lungenkrebs gegründet. Ziel ist es, den schwer kranken Menschen Zugang zu modernster molekularer Diagnostik und neuesten Therapien flächendeckend und sektorenübergreifend zu ermöglichen.

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Die jährliche Neuerkrankungsrate bei Lungenkrebs, der häufigsten Krebstodesursache in Deutschland, liegt bei rund 55.000 Fällen. Der Hauptrisikofaktor ist nach wie vor das aktive Rauchen, weshalb auch die Zahl der betroffenen Frauen über die Jahre zunimmt. Bislang gibt es keine etablierten Programme zur Früherkennung (sekundäre Prävention) von Lungenkrebs in Deutschland. Eine Hauptursache für die hohe Sterblichkeit besteht darin, dass der Lungenkrebs bei über zwei Drittel der Patienten erst in einem fortgeschrittenen und nicht mehr kurativ operablen Stadium diagnostiziert wird. Für diese Patienten war die Chemotherapie über Jahrzehnte die einzige medikamentöse Therapie, mit wenig Effektivität und hoher Toxizität. Nur rund ein Viertel der Patienten sprachen darauf an, das mediane Überleben betrug gerade einmal ein Jahr.

Lungenkrebs gliedert sich in viele Untergruppen

Ein großer Fortschritt wurde in den letzten Jahren durch das zunehmende molekulare Verständnis der Erkrankung erzielt. Auf diese Weise lernte man, dass Lungenkrebs keine einheitliche Erkrankung ist, sondern aus vielen Untergruppen besteht, die durch spezifische Mutationen, also Veränderungen in den Zellen, charakterisiert sind. Man nennt sie auch Treibermutationen, weil sie für das bösartige Wachstum der Lungentumore verantwortlich sind. Diese Treibermutationen können nun zunehmend gezielt mit neuen, sogenannten zielgerichteten Medikamenten blockiert werden. Für fünf Treibermutationen (ca. 15 Prozent der Patienten) gibt es aktuell schon zugelassene Medikamente. Das mediane Überleben liegt hier schon bei über fünf Jahren.

Für weitere Treibermutationen (ca. 30 bis 35 Prozent der Patienten) werden solche Medikamente in klinischen Studien erprobt und in naher Zukunft zugelassen. Damit können schon jetzt ca. 50 Prozent der Patienten mit fortgeschrittenem Lungenkrebs von der personalisierten Therapie profitieren. Voraussetzung ist allerdings, dass sie auf alle bekannten Treibermutationen auch getestet werden. Hierzu ist eine umfassende molekularpathologische Diagnostik, das heißt eine gleichzeitige Testung aller bekannten und therapierelevanten Mutationen notwendig. Dafür bedarf es neuester Methoden der Genanalyse, wie zum Beispiel die Next Generation Sequenzierung Technologien (NGS). Leider zeigen aktuelle Daten, dass über ein Drittel der Patienten mit fortgeschrittenem Lungenkrebs unzureichend molekularpathologisch diagnostiziert sind. Diese Patienten haben somit keine Chance, die lebensverlängernden Therapien zu erhalten.

Passgenaue Therapie für jeden Patienten

Um jedem betroffenen Lungenkrebspatienten eine passgenaue Therapie anbieten zu können, wurde im April 2018 das nationale Netzwerk Genomische Medizin (nNGM) Lungenkrebs als Weiterentwicklung des seit 2010 durch die Uniklinik Köln etablierten Netzwerk Genomische Medizin (NGM) Lungenkrebs mit rund 300 Netzwerkpartnern gegründet und von der Deutschen Krebshilfe (DKH) gefördert. Das nNGM stellt einen Zusammenschluss von allen zum Zeitpunkt der Antragstellung an die DKH bestehenden onkologischen Spitzenzentren zur Präzisionsmedizin bei Lungenkrebs dar. Es können sich weitere Zentren mit vergleichbarer Qualifikation bewerben. Aktuell zählt das nNGM 17 sogenannte Netzwerkzentren an 19 Standorten in Deutschland. Das einheitliche Angebot an allen Netzwerkzentren besteht aus einer zentralen NGS-Diagnostik, Beratung über die optimale Therapie für Patienten und Ärzte, einem harmonisierten Portfolio an klinischen Studien und einer zentralen klinischen Datenbank. Das nNGM wirkt den schlechten Testraten auf Treibermutationen in Deutschland entgegen und soll hierdurch die Patientenversorgung beim Lungenkrebs in enger Zusammenarbeit zwischen den Netzwerkzentren und den vielen regionalen Netzwerkpartnern (Praxen und Krankenhäusern) langfristig verbessern.

Enge Zusammenarbeit mit den Krankenkassen

Die meisten Lungenkrebspatienten können nach der zentral erfolgten NGS-Diagnostik und Beratung heimatnah durch die Netzwerkpartner behandelt werden. Die molekularpathologischen Befunde werden gemeinsam mit den Netzwerkpartnern – auch im Rahmen von Tumorboards – diskutiert, um eine individuell-optimale Therapieentscheidung für jeden Patienten am Anfang der Erkrankung und in jedem Erkrankungsrückfall treffen zu können. Im nNGM wurden Arbeitsgruppen einberufen, die neben den Harmonisierungsaufgaben bezüglich der Testung, Befundung und Beratung sowie der Datenbankentwicklung auch die enge Zusammenarbeit mit den Kostenträgern vorantreiben. Ausgehend von den zwischen der Uniklinik Köln und einigen, auch bundesweit agierenden Krankenkassen seit 2014 geschlossenen Verträgen für die integrierte Versorgung gemäß § 140a SGB V wurden 2019 neue Verträge für die besondere Versorgung nach § 140a SGB V im nNGM geschlossen.

Alle Ersatzkassen sind Vertragspartner

Seit dem 1. Oktober 2019 sind alle Ersatzkassen Vertragspartner in diesem innovativen Versorgungsmodell. Die besondere Versorgung sichert nun bereits für rund 70 Prozent aller betroffenen Lungenkrebspatienten in Deutschland überregional und sektorenübergreifend (ambulant/stationär) die Finanzierung der umfassenden NGS-Diagnostik und der Beratung in den Netzwerkzentren. Hiermit tragen die Krankenkassen entscheidend zum Erfolg dieses bundesweit einmaligen Modells zur Implementierung personalisierter Krebsmedizin in der Breite der Versorgung und konkret zum besseren Überleben von Patienten mit Lungenkrebs bei.

www.nngm.de

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