Studie

Hohe Arbeitsbelastung bei Lehrern

Der Lehrerberuf ist auch an Gymnasien mit steigenden Belastungen verbunden, die sich negativ auf die Gesundheit auswirken können. Zwei Drittel der mehr als 176.000 Gymnasiallehrer in Deutschland fühlen sich durch ihre Arbeit unter Druck. Das ergab die Studie „Lehrerarbeit im Wandel“ (LaiW) im Auftrag des Deutschen Philologenverbands und gefördert durch die DAK-Gesundheit.

Illustration hilfloser Lehrer und laute Schüler im Klassenzimmer

Zu den Stressfaktoren gehört in erster Linie ein hohes Arbeitspensum. Dazu kommen unter anderem fehlende Ruhezonen im Arbeitsalltag sowie Lärm im Klassenzimmer. Andreas Storm, Vorstandsvorsitzender der DAK-Gesundheit, fordert anlässlich der neuen Ergebnisse eine Sondersitzung der Kultus- und Gesundheitsminister aller Bundesländer: „Es sollte ein Gesundheitsgipfel Schule stattfinden, sobald die Corona- Krise bewältigt ist.“

Die LaiW-Studie ist die erste bundesweite Erhebung zu Arbeitsanforderungen, -bedingungen und Gesundheit von Gymnasiallehrkräften. Bisher ist der Wissensstand zur Belastung und Gesundheit von Lehrkräften in Deutschland eher begrenzt. Das liegt am föderalen System mit 16 Kultusministerien und verschiedenen Schulformen, durch das die Politik in der Regel nur einen Ausschnitt der Situation im Blick hat. Hinzu kommt, dass die gesetzlichen Krankenkassen die Berichterstattung über die gesundheitliche Lage von Lehrkräften nur sehr bruchstückhaft mit Routinedaten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) unterstützen können, weil Lehrer überwiegend verbeamtet und nicht gesetzlich krankenversichert sind. „Bei der Beschreibung der gesundheitlichen Lage von Lehrkräften haben wir großen Nachholbedarf“, fasst Storm zusammen. „Bezogen auf die Gymnasien leistet die LaiW-Studie deshalb Pionierarbeit.“

Schlafprobleme sind verbreitet

Über 16.000 Datensätze von online befragten Lehrkräften an Gymnasien bundesweit wurden vom Institut für Präventivmedizin der Universitätsmedizin Rostock repräsentativ ausgewertet. Demnach erleben zwei Drittel der Gymnasiallehrer in ihrem Schulalltag hohe bis sehr hohe Belastungen. Die große Mehrheit empfindet vor allem die Leistungsunterschiede zwischen den Schülern als belastend (95 Prozent). Außerdem sind für jeden Zweiten der Lärmpegel und verhaltensauffällige Schüler eine große Herausforderung. Dazu kommen die Mängel in der schulischen Infrastruktur. So hält lediglich jeweils ein Viertel die Arbeitsplätze in der Schule und das Angebot an Ruhezonen für ausreichend. Vier von zehn Lehrkräften haben Schlafprobleme. Das sei ein Frühindikator für ein mögliches späteres Erschöpfungssyndrom, erklärt Dr. Reingard Seibt vom Institut für Präventivmedizin. Die wissenschaftliche Projektleiterin der LaiW-Studie hält schulbezogene Präventionsmaßnahmen für dringend notwendig, um Arbeitsfähigkeit und Gesundheit der Lehrer längerfristig zu erhalten. „Lehrer benötigen einen modernen Arbeits- und Gesundheitsschutz, weil sie hohe Anforderungen zu bewältigen haben und einen erheblichen Beitrag zum gesellschaftlichen Gemeinwohl leisten“, erklärt Seibt.

Unzufriedenheit lösen laut LaiW-Studie bei gut einem Drittel der Befragten auch lange Arbeitstage aus sowie stetig zunehmende Mehraufgaben – auch aus dem außerunterrichtlichen Aufgabenspektrum. Die in einer regional abgegrenzten Teilstichprobe zusätzlich durchgeführte Arbeitszeit-Abfrage dokumentiert bei vielen Lehrern lange Arbeitstage und eine Sieben-Tage-Woche. Mittels einer App haben die Teilnehmer dieser Abfrage vier Wochen täglich ihre Arbeit im und für den Unterricht sowie alle weiteren Tätigkeiten protokolliert. Häufig gelingt keine klare Trennung zwischen Arbeit und Freizeit, wodurch es für die Betroffenen schwer ist, sich am Feierabend und am Wochenende effektiv zu erholen. Weitere Gründe für Unzufriedenheit sind zunehmende Verwaltungsaufgaben und behördliche Vorgaben (jeweils 18 Prozent).

Viele gehen krank zur Arbeit

Bei all der Belastung fehlt die deutliche Mehrheit der Lehrer (78 Prozent) wegen Krankheit nur wenige Tage im Jahr. Neun von zehn Gymnasiallehrern gehen arbeiten, auch wenn sie sich krank fühlen, ein Drittel auch gegen ärztlichen Rat. Obwohl die große Mehrheit angibt, auf ihre Gesundheit und ein gesundheitsförderliches Verhalten zu achten, versuchen Lehrer häufig, die Genesung bis zum Wochenende oder gar bis zu Feiertagen aufzuschieben. Der Hintergrund könnte sein, dass viele Lehrkräfte stark motiviert für ihre Arbeit sind. Wie die LaiW-Studie zeigt, sind drei Viertel der Befragten mit ihrem Beruf sehr zufrieden beziehungsweise zufrieden. Die Zufriedenheit mit dem Lehrerberuf basiert im Kern auf vier Punkten: An erster Stelle steht mit 45 Prozent die Arbeit mit den Schülern, gefolgt von der flexiblen Zeiteinteilung (42 Prozent). Die Autonomie im Unterricht und die Zusammenarbeit mit den Kollegen sind weitere zufriedenheitsstiftende Aspekte.

Mahnung vor chronischer Überlastung

„Die meisten Lehrer sind trotz hoher Arbeitsbelastung mit ihrem Beruf zufrieden und die Arbeit mit den Schülern macht ihnen Freude“, betont Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing, Vorsitzende des Philologenverbandes. „Aber wir können nicht stillschweigend in Kauf nehmen, dass unsere Gymnasien nur noch durch eine chronische Überlastung der Lehrkräfte funktionieren.“ Die DAK-Gesundheit empfiehlt jeder Schule, eine differenzierte Diagnose zum Gesundheitsstatus ihrer Lehrer durchzuführen. Nachhaltige Gesundheitsförderung müsse als gemeinsame Aufgabe von Lehrern, Schulleitung und Schulträgern begriffen werden. Politik, Ministerien und Sozialversicherungsträger sollten an einem notwendigen Rahmen arbeiten, private Krankenversicherer sich an den Kosten der betrieblichen Gesundheitsförderung beteiligen. „Wir müssen das Thema Lehrergesundheit in den Fokus der Öffentlichkeit rücken“, betont Storm. Die LaiW-Studie zeige, dass Lehrer dringend Unterstützung beim Gesundbleiben brauchen. „Nur wenn sie selbst fit sind“, so Storm, „können sie den hohen persönlichen, pädagogischen und fachlichen Anforderungen im Gymnasium gerecht werden und den Schülern einen gesunden Lebensstil vermitteln.“

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