Versorgung

Ein Schutzschirm für die Pflege

Die durch das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 verursachte Pandemie bedroht in besonderem Maße die Gesundheit pflegebedürftiger Menschen. Aufgrund ihres Alters und in der Regel zahlreicher Vorerkrankungen haben diese Menschen ein besonders hohes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf. Da zudem die Versorgung in der Pflege durch eine hohe Zahl persönlicher Kontakte geprägt, ist, sind auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Pflegeeinrichtungen und den Medizinischen Diensten besonders gefährdet. Frühzeitig wurden daher von den Pflegekassen und deren Verbänden zahlreiche organisatorische und finanzielle Maßnahmen vorbereitet und getroffen, um die pflegerische Versorgung einerseits zu sichern und sie andererseits auch sicher(er) zu machen.

Das oberste Ziel aller Maßnahmen in der Pflege muss es sein, die Versorgung der Pflegebedürftigen – sei es zu Hause oder in der Pflegeeinrichtung – auch in Zeiten der Covid-19-Pandemie zu sichern. Um dies zu gewährleisten, haben die Pflegekassen und deren Verbände frühzeitig zunächst intern alle möglichen organisatorischen und personellen Vorkehrungen getroffen, um ihr Verwaltungshandeln gegenüber den Versicherten und Leistungserbringern aufrechterhalten zu können. Die Pflegekassen und deren Verbände haben in diesen schwierigen Zeiten in der pflegerischen Versorgung eine systemrelevante Rolle, die sie verantwortungsbewusst ausfüllen wollen.

Mit Blick auf die aufkommenden Problemlagen im Zusammenhang mit Covid-19 hat die Pflegeselbstverwaltung, also die Verbände der Pflegekassen, der GKV-Spitzenverband und die Verbände der Pflege-Leistungserbringer, bereits Anfang März schnell, unbürokratisch und in enger Abstimmung mit dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) zahlreiche Maßnahmen erarbeitet, um einerseits die Pflegebedürftigen vor der Ausbreitung von Covid-19 zu schützen und andererseits die Pflegeeinrichtungen in die Lage zu versetzen, die Versorgung so lange und flexibel wie möglich aufrechtzuerhalten.

Diese sind mittlerweile gesetzgeberisch weit überwiegend im sogenannten COVID19-Krankenhausentlastungsgesetz aufgegriffen worden, welches in einem stark beschleunigten parlamentarischen Verfahren bereits Anfang April 2020 in Kraft getreten ist. Zudem findet sich dort – völlig zurecht – auch ein finanzieller Schutzschirm für Pflegeeinrichtungen, um die Pflegeinfrastruktur in dieser schwierigen Zeit finanziell zu sichern.

Ein ganzer Katalog an Maßnahmen gibt den Pflegeeinrichtungen die nötige Flexibilität und Sicherheit, die pflegerische Versorgung so gut wie möglich sicherzustellen: Die regelhaften externen Qualitätsprüfungen in ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen werden bis 30. September 2020 ausgesetzt. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass externe Kontakte in den Einrichtungen ohnehin überwiegend verboten sind und die Medizinischen Dienste ihre frei werdenden pflegefachlichen und medizinischen Ressourcen neu justieren und gegebenenfalls sogar an anderer Stelle im Gesundheitswesen einsetzen können. Ähnlich gelagert ist die Aussetzung der regelmäßigen Beratungsbesuche bei den Pflegebedürftigen, die Pflegegeld beziehen. Auf die verpflichtenden Besuche in der Häuslichkeit wird ebenfalls bis 30. September 2020 verzichtet, ohne dass es für den Pflegebedürftigen zur Kürzung oder Einstellung der Zahlungen des Pflegegeldes kommt. Auch dies dient dem Schutz der Pflegebedürftigen.

Den Ländern wurde mit Blick auf die heimrechtlichen Anforderungen empfohlen, die für die Einrichtungen verbindliche Pflegefachkraftquote auszusetzen, auch hier drohen während der Epidemie den Einrichtungen bei Covid-19 bedingten Ausfällen von Fachkräften keine rechtlichen Konsequenzen. Zudem sind die Vergütungskürzungen ausgesetzt.

Pflegebegutachtung umgestellt

Vorübergehend umgestellt wurde auch das Verfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit durch die Medizinischen Dienste. Dieses wurde bisher überwiegend persönlich und in der Häuslichkeit des Versicherten durchgeführt. Mit Blick auf die Gesundheit der Versicherten, aber auch der Begutachter, wurde das Verfahren modifiziert. Bis zum 30. September 2020 wird die Prüfung der Pflegebedürftigkeit auf der Basis der dem Medizinischen Dienst zur Verfügung stehenden Unterlagen (Aktenlage) in Kombination mit strukturierten Interviews erfolgen und es wird auf eine umfassende persönliche Untersuchung verzichtet. Zudem werden derzeit nur Erstbegutachtungen durchgeführt, sogenannte Wiederholungsbegutachtungen werden komplett ausgesetzt. Um auch der besonderen personellen Situation bei den Pflegekassen und den Medizinischen Diensten gerecht zu werden, ist die gesetzlich vorgegebene Fünf-Wochen- Frist für die Erstellung der Gutachten und die bei Überschreitung von der Pflegekasse zu leistende Strafzahlung ausgesetzt. Die Frist greift nur noch bei Begutachtungen mit besonders dringendem Entscheidungsbedarf. Mit dem COVID19-Krankenhausentlastungsgesetz wurden Regelungen geschaffen, um die finanziellen Folgen der Pandemie auch für diesen wichtigen und sensiblen Versorgungsbereich abzufedern. Mit dem Gesetz können ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen außerordentliche Aufwände und Mindereinnahmen infolge der Covid-19-Pandemie gegenüber einer Pflegekasse geltend machen. Voraussetzung ist, dass alle staatlichen Fördermaßnahmen (Kurzarbeitergeld, Einzelförderungen des Bundes und der Länder usw.) ausgeschöpft sind.

Um das Antragsverfahren genau zu beschreiben, hat der GKV-Spitzenverband in Zusammenarbeit mit den Verbanden der Pflegekassen noch vor Inkrafttreten des Gesetzes bereits die entsprechende Festlegung erarbeitet. Dort wird detailliert beschrieben, wie das Antragsverfahren abläuft und welche Tatbestände genau umfasst sind. Die Einrichtungen können demnach unbürokratisch und mit einem einzigen Formular ihren Anspruch gegenüber der Pflegekasse geltend machen. Der Anspruch umfasst angefallene Mehrkosten beispielsweise aufgrund von Mehrarbeit oder zusätzlich eingestelltem Personal ebenso wie zusätzlich Kosten für infektionshygienische Schutzmaßnahmen. Aber auch Mindereinnahmen aufgrund von Covid-19 bedingten Leistungsausfällen sind berücksichtigt. Insgesamt sind die Festlegungen eine wichtige Grundlage und Richtschnur, um in allen Bundesländern ein einheitliches Erstattungsverfahren aufsetzen zu können. Auf dieser Grundlage werden nun in den Ländern die Zuständigkeiten zwischen den Pflegekassenarten und Krankenkassenarten geklärt. Auch hier hat die Pflegeverwaltung Hand in Hand gearbeitet und schnell und unkompliziert wichtige regulatorische Grundlagen für den finanziellen Schutzschirm in der Pflege geschaffen.

Die Covid-19-Pandemie stellt die Gesellschaft und das Gesundheits- und Pflegesystem vor große Herausforderungen. Die Versorgung pflegebedürftiger Menschen ist dabei ein zentrales Anliegen in der Organisation der gesundheitlichen Versorgung. Mit den frühzeitig durch die Pflegeselbstverwaltung erarbeiteten und vom Gesetzgeber aufgegriffenen Maßnahmen wird eine gute Grundlage für eine flexible und nachhaltige Versorgung in der Pflege gesichert. Der finanzielle Schutzschirm in der Pflege hilft den Einrichtungen und damit auch allen Pflegekräften, in einem einigermaßen gesicherten finanziellen Umfeld zu agieren.

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