Personalbemessung

Neues Instrument ist eine große Chance

Mit dem durch die Universität Bremen entwickelten Personalbemessungsverfahren besteht die Chance, erstmals ein bundesweit einheitliches Verfahren für die Personalausstattung in vollstationären Pflegeeinrichtungen einzuführen. Dabei sind alle beteiligten Akteure gefordert, die erforderlichen Maßnahmen zur Umsetzung einzuleiten und die erforderlichen Rahmenbedingungen zu schaffen.

An diesem neuen Personalbemessungsinstrument ist zunächst die enge Ausrichtung an dem 2017 eingeführten Pflegebedürftigkeitsbegriff zu begrüßen. Damit durchzieht das neue Pflegeverständnis als roter Faden zunehmend die gesamte Pflegeversicherung, von der Begutachtung, der Ausbildung der Pflegefachkräfte über die Dokumentation bis hin zur Personalbemessung.

Illustration: MDK-Pflegebegutachtung

Zudem wurde erstmals eine wissenschaftlich fundierte und umfassende Definition einer fachgerechten Pflege auf Grundlage des Pflegebedürftigkeitsbegriffes entwickelt. Neben pflegerischen Handlungen wurden erforderliche Qualifikationsniveaus zur Leistungserbringung detailliert beschrieben, die zusätzlich von der Pflegegradeinstufung der Heimbewohner abhängen. Die Einführung einer flexiblen Fachkraftquote je nach Pflegegradbelegung in einer Einrichtung macht das Instrument leicht einsetzbar. Das ist gut so. Mit dem Pflegebedürftigkeitsbegriff wurde das Leistungsspektrum besonders im Bereich der Betreuungsleistungen erweitert, für die nicht zwingend Pflegefachkräfte eingesetzt werden müssen. Zu betonen ist hier, dass trotz der sinkenden Fachkraftquote auf durchschnittlich 38 Prozent zukünftig nicht weniger Pflegefachkräfte in den Einrichtungen tätig sein sollen. Durch den verstärkten Einsatz von Hilfskräften ändert sich lediglich das Verhältnis von Fach- und Hilfskräften. Der berechnete Personalmehrbedarf – je nach Hochrechnung zwischen 28 und 42 Prozent – vor allem an Hilfskräften ist beachtlich. Es erfordert daher die Anstrengung aller Partner in der Selbstverwaltung, die notwendigen Maßnahmen zur Personalgewinnung – wie etwa in der Konzertierten Aktion Pflege vereinbart – entschlossen anzugehen. Es sollte auch nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass in der aktuellen Versorgung zu wenig Personal eingesetzt wird. Denn die Forschungsgruppe der Universität Bremen geht bei ihren Hochrechnungen von einer vollständigen Umsetzung der fachlichen Anforderungen des Pflegebedürftigkeitsbegriffes aus. Die ist derzeit in der Praxis aber noch nicht festgestellt.

Erstmals kann ein bundesweit einheitliches und transparentes Verfahren zur Festlegung der erforderlichen Personalausstattung für eine fachgerechte Pflege in vollstationären Einrichtungen etabliert werden. Die derzeit nur schwer erklärbaren Unterschiede der einzelnen Bundesländer bei den vereinbarten Personalschlüsseln könnten dann der Vergangenheit angehören. Nun müssen zügig die erforderlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden, etwa die Anpassung der landesrechtlichen Vorschriften (zum Beispiel Fachkraftquoten) und der Rahmenvereinbarungen.

Positiver Nebeneffekt ist, dass die Berufsgruppe der Pflegehelfer stärker in den Fokus rückt. Um die Vergleichbarkeit des eingesetzten Personals zu gewährleisten, sollten jedoch die unterschiedlichen Qualifikationsanforderungen in den Ländern schnellstmöglich harmonisiert werden, da sonst erneut ein föderaler Flickenteppich der Personalausstattung droht. Durch das zusätzliche Personal bei Anwendung des Personalbemessungsinstruments werden die Vergütungssätze der Einrichtungen zwangsläufig steigen. Das darf aber nicht zu einer noch höheren Belastung der Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohner führen, deren Eigenanteile in den letzten Jahren im Durchschnitt bereits stark angestiegen sind. Die Einführung des neuen Instrumentes muss zwingend durch eine entsprechende Reform der Finanzierung der Pflegeversicherung begleitet werden.

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