Intensivmedizin

Drei Fragen an Prof. Dr. Gernot Marx

Im Zuge der Corona-Pandemie ist die Situation in der Intensivmedizin regelmäßig Gegenstand auch öffentlicher Debatten. Der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) kommt dabei unter anderem durch das DIVI-Intensivregister, das die Fallzahlen intensivmedizinisch behandelter Covid-19-Fälle in Echtzeit erfasst, eine Schlüsselrolle zu. Der Anästhesist Prof. Dr. Gernot Marx ist seit Januar 2021 neuer Präsident der Fachgesellschaft.

Vor welchen Herausforderungen steht die Intensiv- und Notfallmedizin im Jahr 2021?

Zuallererst gilt es natürlich, gemeinsam die Corona-Pandemie zu bewältigen! Die Aufgabe von uns Intensivmedizinern ist es, dafür zu sorgen, dass Covid-19-Patienten optimal versorgt werden, damit wir sie trotz dieser besonders schweren Erkrankung wieder zurück ins Leben bringen können. Zudem geht es selbstverständlich darum, dass wir uns um alle Belange der intensivmedizinischen Teams kümmern – das umfasst Ärzte und Pfleger, aber auch alle anderen, zum Beispiel Physiotherapeuten, Logopäden, Ergotherapeuten, Reinigungskräfte und die Logistik, die dahintersteht. Gleichzeitig ist es eine wichtige Aufgabe der Intensiv- und Notfallmedizin, die anderen schwerkranken Patienten nicht zu vergessen. Wir versorgen pro Jahr mehr als zwei Millionen Intensivpatienten. Natürlich dürfen wir auch die Weiterentwicklung der Strukturen und Wissenschaft nicht aus den Augen verlieren. Hier seien beispielhaft genannt: die Neustrukturierung der Notfallmedizin und der Notfallaufnahmen in Deutschland, die Weiterentwicklung der Telemedizin in der Intensivmedizin und die Weiterentwicklung unserer Qualitätsindikatoren.

Noch nie war die Intensivmedizin derart im öffentlichen Fokus wie während der Corona-Pandemie. Was bedeutet diese erhöhte Aufmerksamkeit für die Arbeit der DIVI?

Der öffentliche Fokus hat gezeigt, was die Intensivmedizin eigentlich beinhaltet und wie relevant – man sagt ja heute gerne „systemrelevant“ – dieser medizinische Bereich ist. Gemeinsam mit den Verantwortlichen der Gesundheitspolitik und anderen wichtigen Partnern wie den Krankenkassen, den Ärztekammern und der Krankenhausgesellschaft gilt es, diese Aufmerksamkeit zu nutzen, um für die Intensivmedizin zukunftssichere Strukturen zu entwickeln. Dazu zähle ich insbesondere die Digitalisierung, deren Bedeutung im Rahmen der Pandemie besonders zutage getreten ist.

Portrait Prof. Dr. Gernot Marx, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI)

Ich glaube fest daran, dass künstliche Intelligenz auch in der Nachsorge mit großer Wirkung zum Einsatz kommen kann.

Prof. Dr. Gernot Marx, Präsident der DIVI

Einer Ihrer erklärten Schwerpunkte als DIVI-Präsident soll das Thema Künstliche Intelligenz (KI) sein. An welche Einsatzbereiche denken Sie dabei?

Die Intensivmedizin ist in Deutschland bereits sehr digital und bietet sich daher für dieses Thema besonders an: Wir nutzen digitale Dokumentations- und Managementsysteme und erfassen umfangreiche Datensätze für jeden Patienten. Es geht nun darum, diese Datensätze – natürlich ohne Personenbezug und unter Berücksichtigung des Datenschutzes – für die Weiterentwicklung der Medizin zu nutzen. Beispielsweise beim Thema Sepsis konnten wir in Studien ermitteln, dass die Diagnose durch KI-Algorithmen um mehr als zwölf Stunden nach vorne gezogen werden kann. Das eröffnet wirklich unglaubliche Möglichkeiten, die Therapie und deren Erfolg zu verbessern, sodass noch mehr Menschen eine Sepsis überleben. Neben zahlreichen weiteren therapeutischen Bereichen glaube ich fest daran, dass künstliche Intelligenz auch in der Nachsorge mit großer Wirkung zum Einsatz kommen kann. So könnten beispielsweise mit Gesundheits-Apps frühzeitig Optimierungspotenziale oder auch gesundheitliche Verschlechterungen identifiziert werden. Als DIVI denken wir hier einmal mehr sektorenübergreifend und damit über den stationären Aufenthalt hinaus.

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