Gesundheitspolitik in Rheinland-Pfalz

Spagat zwischen Pandemie, Ärztemangel und Klinikreform

Die Corona-Krise hat die Gesundheitspolitik vor der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz überlagert. Probleme wie die Lage kleiner Kliniken und der sich anbahnende Ärztemangel traten in den Hintergrund. Sie verschwinden aber nicht in dem Bundesland, wo SPD, FDP und Grüne die Ampelkoalition fortsetzen wollen.

Flagge von Rheinland-Pfalz

Rheinland-Pfalz galt einst klischeehaft als das Land der Rüben und Reben. Im Landtagswahlkampf hob Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) aber Inzidenzen und Impfen hervor. Denn bis zum 14. März 2021, dem Tag der Wahl, meisterte die Landesregierung um Ministerpräsidentin Dreyer die Corona-Krise solide. Bei der Impfquote lag das Land bundesweit in der Spitzengruppe, nachdem es anfangs in vielen Altenheimen noch an Vorbereitung fehlte und Hotlines unter der Masse an Anrufen zusammenbrachen. Landesweit waren Inzidenzen so niedrig, dass sich das Land vor der Wahl gar traute, Geschäfte behutsam zu öffnen. Die Wähler in Rheinland-Pfalz belohnten den Kurs. Die Sozialdemokraten mit Dreyer an der Spitze gewannen die Wahl deutlich mit 35,7 Prozent, pulverisierten förmlich den Effekt der chronisch im Umfragetief taumelnden Bundes-SPD und dürfen weiter in einer Ampelkoalition mit FDP und Grünen regieren.

Christdemokratische Schwächen

CDU-Herausforderer Christian Baldauf gelang es im Wahlkampf kaum, sich gesundheitspolitisch von der Landesregierung abzugrenzen. Er hatte es auch schwer: Der Pfälzer war unbekannter als die dauerpräsente Regierungschefin Dreyer. Er stand in der Corona-Krise ständig loyal zur Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Christdemokratische Schwächen im Bund – wie bei der Impfstoff-Beschaffung oder Schnelltest-Strategien – konnte der Landespolitiker nicht vermeiden.

Zugleich drängte die Pandemie gesundheitspolitische Baustellen in den Hintergrund, die in der Wahlperiode bis 2026 aber nicht von der Bildfläche verschwinden. Da ist einmal die schwierige Lage der Krankenhäuser. 77 Kliniken hat Rheinland-Pfalz, die sich auf 96 Standorte verteilen. Bei der Menge verwundert es kaum, dass Menschen in ländlichen Räumen wie der Eifel oder dem Hunsrück immer wieder demonstrieren, weil eine Geburtshilfe vor dem Aus steht oder der kleinen Klinik die Insolvenz droht. Krankenkassen und Kliniken werfen dem Land vor, zu wenig Geld in die Häuser zu investieren. Das Land kritisiert wiederum das DRG-System als Last für die Häuser. In diesem Jahr fördert Rheinland-Pfalz die Kliniken mit 128 Millionen Euro. 300 Millionen Euro brauchten die Krankenhäuser aber pro Jahr, entgegnen Kritiker.

Im Wahlkampf waren sich alle Parteien einig, die flächendeckende Gesundheitsversorgung in Rheinland-Pfalz zu erhalten. Ministerpräsidentin Dreyer betonte: „Rheinland-Pfalz ist das Land der kleinen Krankenhäuser.“ Aber: Wo Zusammenlegungen sinnvoll sind, will das Land sie fördern. In Saarburg und Kirn starten Modellkliniken, die sich in den kommenden Jahren zum modernen Gesundheitscampus wandeln sollen – vernetzt mit großen, regionalen Kliniken, niedergelassenen Ärzten und weiteren Akteuren des Gesundheitssystems. Ein Wandel setzt also ein – wenn auch schleichend.

Zu wenige Ärzte auf dem Land

Dazu kommt der Ärztemangel, der in Rheinland-Pfalz bald durchschlägt. Alleine 40 Prozent der Hausärzte im Land stehen vor dem Ruhestand, weil sie 60 Jahre oder älter sind. Weil gerade die ländlichen Gegenden künftige Mediziner kaum in den Bann ziehen, hat die Landesregierung inzwischen eine Landarztquote ins Leben gerufen. 14 Studienplätze vergibt Rheinland-Pfalz darüber im kommenden Wintersemester 2021/22. In einem neuen Telemedizin-Projekt testet das Land darüber hinaus mit 24 Praxen, Assistentinnen und Assistenten mit der nötigen Technik zu Patienten fahren zu lassen, Gesundheitsdaten zu erfassen und Hausärzte per Videochat zuzuschalten. Im Wahlprogramm nannte die SPD das Ziel, solche digitalen Sprechstunden flächendeckend zu ermöglichen. Doch auch hier greifen die Programme den Kritikern zu kurz. Die Opposition aus CDU, AfD und nun auch Freien Wählern fordert 200 Medizinstudienplätze mehr pro Jahr, um Ärzte auszubilden. Bis die ersten Mediziner über die Landarztquote in Eifel oder Hunsrück arbeiteten, dauere es noch zehn Jahre. Ob sich vage grüne Gedanken verwirklichen lassen, neben Mainz eine zweite Unimedizin aufzubauen, ist nach der Corona-Krise mit schmaleren Haushalten fraglich.

Ohnehin dominiert die Pandemie weiterhin die Politik. Denn zum April 2021 stiegen die 7–Tage-Inzidenzen auch im Südwesten der Republik vielerorts über 100. Das Land will zwar in Modellkommunen erproben, mehr Öffnungen gegen mehr Tests zu erlauben – ähnlich wie im baden-württembergischen Tübingen. Umsetzen sollen das aber nur Kommunen, die in der Inzidenz unter 50 liegen. Wann also tatsächlich einige Städte und Kreise den kleinen Schritt in Richtung Normalität gehen können, ist mit einem Fragezeichen verbunden. Das gilt auch für die rheinland-pfälzische Gesundheitspolitik der kommenden Jahre.

Grafik: Wahlergebnis Rheinland-Pfalz 2021

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