Mindestmengen

Drei Fragen an Dr. Gerald Gaß

Für die Qualitätssteigerung in der stationären Versorgung gelten Mindestmengen als ein wichtiger Hebel. Gleichzeitig verändern sie das Leistungsangebot insbesondere an kleineren Standorten. Dr. Gerald Gaß ist seit April 2021 Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) und kommentiert in ersatzkasse magazin. das Thema aus Sicht seines Bundesverbandes.

Durch Mindestfallzahlen soll die Behandlungsqualität erhöht werden. Für wie wirksam halten Sie dieses Werkzeug?

Mindestmengen können vor allem bei planbaren, risikobehafteten und hochkomplexen Behandlungen ein sinnvolles Instrument der Qualitätssicherung sein, indem sie Gelegenheitsversorgung ausschließen. Deswegen begrüßt die DKG Mindestmengenregelungen im angemessenen Umfang. Wo Studien zeigen, dass die Leistungsmenge die Ergebnisqualität signifikant beeinflusst, haben sie ihre Berechtigung. Allerdings ist die Formel mehr Fälle gleich mehr Qualität so nicht richtig. Die Qualität hängt in einem hohen Maß auch von anderen Faktoren ab. Das Zusammenwirken verschiedener Qualitätsverbesserungsmaßnahmen ist effektiver als nur Mindestmengen einzuführen bzw. zu erhöhen.

Dr. Gerald Gaß, Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft

Mindestmengen dürfen kein verstecktes Instrument der kalten Strukturbereinigung sein, die vor allem in dünn besiedelten Regionen die Versorgung gefährdet.

Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG)

Als Vorstandsvorsitzender der DKG vertreten Sie auch die Interessen von Krankenhäusern, die von neuen Mindestmengenregelungen betroffen wären und dann bestimmte Eingriffe nicht mehr vornehmen dürften. Welche Perspektiven gibt es für diese Häuser?

Mindestmengen sind kein Allheilmittel für gute Behandlungsergebnisse. Erfahrungswissen lässt sich auch durch intelligente Verbundstrukturen und telemedizinische Netzwerke in die Fläche bringen. Nicht nur für kleinere Kliniken sind zu hohe Mindestmengen problematisch, sondern auch für die Menschen im ländlichen Raum, wenn so wohnortnahe Versorgung unmöglich gemacht wird. Mit Mindestmengenregelungen müssen wir verantwortungsvoll umgehen. Können Kliniken wegen übertrieben hoher Mindestmengen die flächendeckende Versorgung nicht mehr gewährleisten, ist niemandem gedient. Mindestmengen dürfen kein verstecktes Instrument der kalten Strukturbereinigung sein, die vor allem in dünn besiedelten Regionen die Versorgung gefährdet. Wenn bedarfsnotwendige Grundversorgungskrankenhäuser unnötig in ihrem Leistungsspektrum begrenzt werden, hat das Folgen für deren Wirtschaftlichkeit und medizinisches Ausbildungsspektrum. Hier können ergänzende Vorhaltefinanzierung und Verbundstrukturen in der Medizinerausbildung helfen.

Das Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG) sieht auch eine Festlegung weiterer Mindestmengen vor. Wie bewerten Sie diese Vorstöße?

Die DKG begrüßt Mindestmengen als Teil der Qualitätssicherung. Wir begrüßen auch, dass laut Gesetz Mindestmengen kontinuierlich wissenschaftlich überprüft werden sollen und dass sie kein alleiniges Instrument sind, sondern in eine Vielzahl von Qualitätssicherungsmaßnahmen eingebettet sein müssen. Auf der anderen Seite sehen wir die Absicht, dem G-BA die Möglichkeit zu entziehen, Ausnahmetatbestände bei hoher Qualität festzulegen, sehr kritisch. Bei hohen, über den Ausschluss von Gelegenheitsversorgung hinausgehenden Mindestmengen muss besonders gute Qualität als Ausnahmeregelung berücksichtigt werden. In die falsche Richtung geht auch das nun eingeschränkte Recht der Länder, zur Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung Ausnahmeregelungen von Mindestmengen zu treffen. Hier drohen Versorgungsengpässe, insbesondere bei Notfällen. Damit würde sich das Ziel, die Behandlungsqualität zu sichern, ins Gegenteil umkehren.

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