Abrechnungsbetrug

Pflegedienste trauriger Spitzenreiter

Bewusste Falschabrechnungen sind nicht nur ein Problem für die Kranken- und Pflegeversicherung, sondern bringen auch ehrliche Leistungserbringer in Verruf. Im Jahr 2020 war die kriminelle Energie laut Zahlen der KKH Kaufmännische Krankenkasse besonders hoch.

Illustration: Abrechnungsbetrug

Die Prüfgruppe Abrechnungsmanipulation der KKH Kaufmännische Krankenkasse hat im vergangenen Jahr so viele Hinweise erhalten wie lange nicht. 768 Verdachtsfälle wurden bundesweit gemeldet und damit 61 Prozent mehr als 2019. Trauriger Spitzenreiter im Betrugs-Ranking: Pflegedienste mit 391 Fällen, gefolgt von Pflegeheimen mit 194 Fällen. Damit entfallen drei Viertel aller Hinweise in 2020 auf Pflegeleistungen. „Hier wirken sich die jährlichen Abrechnungsprüfungen durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung aus. Aufgrund der Fallgestaltungen habe ich aber auch den Eindruck, dass in diesem Leistungsbereich mehr Menschen mit hoher krimineller Energie unterwegs sind“, sagt KKH-Chefermittlerin Dina Michels. „Der Pflegebereich ist besonders anfällig für Straftaten.“

Gleich ob von Pflegediensten, Ärzten, Apothekern, Physiotherapeuten oder Sanitätshäusern eingefädelt: Hinter jedem Fall von Abrechnungsbetrug steht der Versuch, den eigenen Gewinn illegal zu maximieren. „Betrugsdelikte im Gesundheitswesen sind alles andere als Bagatelldelikte“, urteilt Michels. „Wer in diesem Bereich rechtswidrig handelt, bereichert sich an Geldern, die Versicherten für die Behandlung von Krankheiten und die Vorsorge zustehen. Außerdem geraten mit jeder aufgedeckten Tat ehrliche Leistungserbringer des jeweiligen Berufsstandes in Verruf.“ Dabei sind es stets nur einige wenige, die kriminell agieren. Da werden Arzneimittel gepanscht, Höchstsätze für unqualifiziertes Personal abgerechnet, Rezepte für Physio- und Ergotherapie gefälscht oder Leistungen abgerechnet, die nur auf dem Papier existieren. Der Kranken- und Pflegeversicherung der KKH ist durch bewusste Falschabrechnungen allein in 2020 ein Schaden in Höhe von einer halben Million Euro entstanden. Die höchsten Schadenssummen erschwindelten Apotheker, gefolgt von ambulanten Pflegediensten. In 23 Fällen erstattete die KKH Strafanzeige.

Betrüger dingfest machen: Jeder kann helfen!

Nach Schätzungen des Statistischen Bundesamts stiegen die Gesundheitsausgaben allein im Jahr 2020 auf etwa 425 Milliarden Euro. Diese Summe setzt bei einzelnen Leistungserbringern ein hohes Maß an Energie frei, gesetzwidrig Gelder einzustreichen. Auf die Schliche kommen Krankenkassen bewussten Falschabrechnungen durch Hinweise. Die meisten gingen bei der KKH im vergangenen Jahr in Nordrhein-Westfalen (179) ein, gefolgt von Bayern (121) und Sachsen-Anhalt (101). Zu den Hinweisgebern zählen neben dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Polizei und Staatsanwaltschaft, andere Krankenkassen, Medien sowie Versicherte.

Deutschlandweites Ermittlernetz erforderlich

In elf Bundesländern gehen inzwischen Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften sowie besonders ausgebildete Kriminalbeamte Fehlverhalten im Gesundheitswesen intensiv nach. „Speziell geschulte Ermittler und IT-Experten für die Verfolgung und Aufklärung bewusster Falschabrechnungen sollten in allen Bundesländern flächendeckend tätig sein“, fordert Michels. „Denn es ist mitunter traurige Realität, dass begründete Ermittlungsverfahren mangels Spezialwissen eingestellt werden. Das öffnet Betrügern Tür und Tor. Ein engmaschiges professionelles Ermittlungsnetz ist die entscheidende Voraussetzung für einen erfolgreichen Kampf gegen kriminelle Machenschaften.“

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