Politik in der Krise

Vertrauen in Corona-Bewältigung bröckelt

Das Vertrauen in die Krisenreaktionsfähigkeit des deutschen Gesundheitssystems war im Verlauf der Pandemie lange stabil, ist nun aber stark erodiert. Die Politik kann verloren gegangenes Vertrauen wieder herstellen, wenn die Prioritäten nach der Wahl richtig gesetzt werden.

Illustration: Vertrauen in das deutsche Gesundheitssystem

Die Covid-19-Pandemie hat das deutsche Gesundheitssystem in vielerlei Hinsicht vor grundlegende Herausforderungen gestellt. In diesem Beitrag werden zentrale Befunde des Covid-19-Umfrageprogramms des Exzellenzclusters „The Politics of Inequality“ an der Universität Konstanz vorgestellt, in dem unter anderem das Vertrauen der Bevölkerung in die Krisenperformanz des Gesundheitssystems untersucht wurde. (1) Das Programm umfasst insgesamt drei Befragungswellen (April/Mai 2020, November 2020 und Mai 2021), sodass die Entwicklung des Vertrauens im Verlauf der Pandemie erfasst werden kann.

Infografik: Wahrnehmungen zur Performanz und Fairness des Gesundheitssystems

Die Abbildung zeigt, dass sich die Performanz-Wahrnehmungen der deutschen Wohnbevölkerung in den letzten Monaten signifikant (ins Negative) verändert haben. Die Werte geben den Anteil der Befragten an, die jeweils eine positive oder sehr positive Einschätzung zu den verschiedenen Aspekten abgegeben haben. Insbesondere in der Einschätzung der Effizienz der Krisenreaktion und bei der Frage, ob das System allgemein gut auf die Krise vorbereitet war, ist ein starker Rückgang des Vertrauens zu beobachten. Die Einschätzungen der Befragten hinsichtlich der Fairness der Krisenreaktion (im Hinblick auf den Zugang unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen zu Behandlungsmöglichkeiten) und der individuell wahrgenommenen Versorgungssicherheit im Fall einer Erkrankung sind allerdings relativ stabil auf einem hohen Niveau geblieben.

Die letzte Welle der Befragung enthält auch Daten zur Einschätzung und Bewertung der Impfkampagne. Alles in allem dominieren auch hier die kritischen Einstellungen. Zum Start der Impfkampagne hatte die Bundesregierung eine Impfreihenfolge (Priorisierung) festgelegt, die von einer Mehrheit der Befragten unterstützt wird (52,9 Prozent). Viele sehen allerdings Probleme in der Umsetzung: So sind 43,7 Prozent der Befragten (sehr) unzufrieden mit dem bisherigen Verlauf der Impfkampagne. Außerdem sorgen sich die Befragten, dass die Priorisierung durch „Impfdrängler“ infrage gestellt wird: Lediglich 22 Prozent sind der Meinung, dass es nur selten oder sehr selten vorkommt, dass die offizielle Impfpriorisierung faktisch umgangen wird.

Handlungsdruck für die Parteien

Was sind die Implikationen der Befunde für die anstehenden Bundestagswahlen? Eine kursorische Durchsicht der Wahlprogramme der großen Parteien mit Anspruch auf das Kanzleramt zeigt zwei Dinge: Erstens scheinen sich die Parteien weitgehend einig zu sein, was die unmittelbaren Schlüsse aus der Pandemie-Erfahrung angeht. Hierbei geht es um Themen wie die Digitalisierung des Gesundheitssektors, die Verbesserung der infrastrukturellen Rahmenbedingungen in den Gesundheitsämtern und den Ausbau von Arzneimittel- und Public Health-Forschung. Eine konsequente Bearbeitung dieser Themen könnte wesentlich dazu beitragen, das zeitweise verloren gegangene Vertrauen in die Krisenreaktionsfähigkeit des Systems wiederherzustellen.

Zweitens fällt allerdings auf, dass die Priorität, die gesundheitspolitischen Themen eingeräumt wird, nicht übermäßig hoch ist, vor allen Dingen vor dem Hintergrund der zuletzt alles dominierenden Pandemie-Lage. Hier besteht Grund zur Sorge, dass notwendige, langfristige Investitionen in die administrative und forschungspolitische Infrastruktur des Gesundheitswesens im Wettbewerb um knappe öffentliche Mittel vernachlässigt werden könnten, wenn und sobald der unmittelbare Problemdruck nachlässt.

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