Gesundheitskompetenz im Alter

Digitale Gesundheit für alle – Wege und Barrieren

Das Vertrauen in die Krisenreaktionsfähigkeit des deutschen Gesundheitssystems war im Verlauf der Pandemie lange stabil, ist nun aber stark erodiert. Die Politik kann verloren gegangenes Vertrauen wieder herstellen, wenn die Prioritäten nach der Wahl richtig gesetzt werden.

Symbolbild: Videosprechstunde

Ein zunehmend digital ausgerichtetes Gesundheitswesen, das zudem den Anspruch auf Versorgungsgerechtigkeit und Fairness hat, muss sich mit der Frage der digitalen Spaltung und den Wegen auseinandersetzen, diese zu verringern. Bei der digitalen Spaltung geht es zunächst um den technischen Zugang und Umgang mit Computern, Internet und Smartphones. Auch wenn mittlerweile sehr hohe Zugangs- und Nutzungsanteile in allen Bevölkerungsschichten vorliegen, weisen aktuelle Daten darauf hin, dass nur gut die Hälfte der älteren Menschen ab 70 Jahren ein Smartphone besitzt. Auch bei der Nutzung des Internets gibt es diesen Altersgradienten, der sich laut Daten des Deutschen Zentrums für Altersfragen (1) insbesondere ab 75 Jahren zeigt. In der Konsequenz muss die Gesundheitsversorgung hier einer doppelten Problematik begegnen: weniger Nutzung digitaler Angebote bei höherer gesundheitlicher Belastung im Alter.

Aus Untersuchungen zur digitalen Gesundheitskompetenz (2) lässt sich zudem ableiten, dass insbesondere Menschen mit geringer Bildung und sozialer Benachteiligung gesundheitsbezogene digitale Angebote weniger nutzen. Auch wenn digitale Kommunikation von diesen Gruppen vielfach angewendet wird: Gesundheitsinformationen werden weniger gefunden, beachtet oder angenommen.

Um Wege zu identifizieren, wie eine bessere Nutzung digitaler Angebote durch Bevölkerung und Patient:innen erreicht werden kann, lohnt zunächst ein Blick auf die Entwicklungen während der Corona-Pandemie. Sprunghaft gestiegen ist das Angebot an Videosprechstunden, da hierdurch Infektionsrisiken minimierbar waren. Auch wenn das Ausmaß wieder zurückgehen wird, ist doch davon auszugehen, dass sich Videosprechstunden als ein Weg in der Versorgung stärker etabliert haben. Die Herausforderung besteht darin, diese Anwendungen möglichst attraktiv, einfach nutzbar und technisch sicher zu gestalten, um möglichst wenige Nutzer:innen auszuschließen. Dies ist ein wichtiges Gebiet für entsprechende Versorgungsforschung gemeinsam mit Adressat:innengruppen.

Wie können aber gerade ältere Menschen überhaupt wichtige Grundkenntnisse und Zugang zu digitalen Gesundheitsangeboten erwerben? Auch hier sollte man aus der Perspektive der (älteren) Personen denken und überlegen, welche Gelegenheiten sich zum Kennenlernen und Austausch über digitale Angebote bieten. Die familiäre Einbindung vieler Älterer stützt innovative Ansätze eines intergenerationalen Lernens – Jung unterstützt Alt beim Kompetenzerwerb. Zudem geht es um angepasste Bildungs- und vor allem um Praxisdemonstrationen und Übungsangebote, die Internetportale, Smartphone-Applikationen oder die elektronische Patientenakte erläutern und den Beteiligten praktisch näherbringen. Krankenkassen, Volkshochschulen, lokale Senioreneinrichtungen, Verbraucherzentralen und andere Einrichtungen sind an dieser Stelle gefragt. Gerade der lokale Bezug ist wichtig, denn so lassen sich Angebote am besten auf die spezifischen Bedarfe (inhaltlich, sprachlich und kulturell) zuschneiden.

Grundsätzlich geht es um eine koordinierte Anstrengung, für die gute Konzepte zum Teil erst noch erarbeitet werden müssen. Oftmals fehlen auch noch grundlegende Informationen, wie das Beispiel des aktuell eingeführten eRezeptes zeigt, das unter Patient:innen noch weitgehend unbekannt ist. Gesundheitsdienstleistende werden erkennen, dass sich Vorteile und Effizienzgewinne dann einstellen, wenn Informationen über digitale Neuerungen allerorts bereitgestellt und dazu niedrigschwellige Kennenlern- und Nutzungsangebote gemacht werden.

  1. Kortmann, L., Hagen, C., Endter, C., Riesch, J., & Tesch-Römer, C. (2021). Internetnutzung von Menschen in der zweiten Lebenshälfte während der Corona-Pandemie: Soziale Ungleichheiten bleiben bestehen [DZA Aktuell 05/2021]. Berlin: Deutsches Zentrum für Altersfragen.
  2. Schaeffer, D., Berens, E.-M., Gille, S., Griese, L., Klinger, J., de Sombre, S., Vogt, D., Hurrelmann, K. (2021). Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland vor und während der Corona Pandemie: Ergebnisse des HLS-GER 2. Bielefeld: Interdisziplinäres Zentrum für Gesundheitskompetenzforschung (IZGK), Universität Bielefeld.

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