Schiedsämter

Wille zur Einigung

Schiedsstelle, Schiedsämter, Schiedspersonen, Erweiterter Bewertungsausschuss oder sektorenübergreifendes Bundesschiedsgremium: Das SGB V hält eine ganze Reihe von Mechanismen parat, um eine Einigung zwischen den Krankenkassen und den unterschiedlichen Leistungserbringerorganisationen zu unterstützen, sofern diese sich auf dem Verhandlungsweg nicht haben einigen können.

Illustration: Schiedsamt

Je nach Anforderung und Rahmenbedingung sind die Schiedsämter mit einem oder mehreren unparteiischen Personen und teilweise zusätzlich mit Vertretern der beiden Vertragsparteien besetzt. Die persönlichen Anforderungen sind insbesondere an die neutralen Schiedspersonen sehr hoch und verlangen ein tiefgreifendes Verständnis für die komplexen rechtlichen, gesundheitswissenschaftlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen des deutschen Gesundheitswesens. Die finanziellen Auswirkungen eines Schiedsspruches übersteigen nicht selten die Grenze von 100 Millionen Euro im Jahr. Entscheidungen des Erweiterten Bewertungsausschusses können im ärztlichen Bereich auch mal deutlich höher ausfallen. Die finanzielle Dimension wird transparent, wenn man vergleicht, dass eine einzelne Entscheidung durchaus mit der jährlichen Umsatzentwicklung eines großen DAX-Konzerns mithalten kann.

Je nach Rechtsgrundlage ist der Spielraum, den ein Schiedsamt ausschöpfen kann, unterschiedlich. Betrachtet man verschiedene Ergebnisse der letzten Jahre, wird deutlich, dass der Gesetzgeber gut daran tut, den Schiedsstellen Leitplanken für ihre Entscheidungen zur Verfügung zu stellen. Gut in Erinnerung geblieben sind die Ärzteproteste aus den Jahren 2007/2008, als völlig unterschiedliche Vorstellungen der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung über die zukünftigen Honorarentwicklungen der ärztlichen Vergütung aufeinanderprallten. Erst nachdem der Gesetzgeber in den Folgejahren den Vertragspartnern ein neutrales Institut zur Seite gestellt und durch feste Regeln den Verhandlungsprozess für beide Seiten systematisiert hat, konnten direkte Einigungen zwischen den Vertragspartnern, aber auch von beiden Seiten akzeptierbare Beschlüsse des Bewertungsausschusses erreicht werden. Allerdings darf sich das Schiedsamt nicht dazu hinreißen lassen, einen Schiedsspruch grundsätzlich am Mittelwert aus der Forderung der Leistungserbringerseite und dem Angebot der Kassenseite auszurichten. Diese Vorgehensweise führt naturgemäß dazu, dass in den Folgejahren die Forderungen der Vertragspartner auseinanderdriften und damit keine freivertraglichen Einigungen mehr möglich sind.

Werden politische Grundsatzpositionen, die bereits im Rahmen von Gesetzgebungsverfahren gescheitert sind, nicht nur in die Honorarverhandlungen, sondern auch in ein anschließendes Schiedsverfahren eingebracht, dann hat die Schiedsstelle eine fast unlösbare Aufgabe vor sich. Insbesondere wenn beide Vertragsparteien mit gegensätzlichen Gutachten ausgerüstet sind, scheinen die rechtlichen Grundlagen einen zu großen Entscheidungsspielraum zu lassen. Auch die in solchen Fällen häufig formulierte Forderung nach einem potenziell neutralen Gutachten löst diese Problematik nicht, da in diesen Fällen zumeist der Stellenwert einer beruflichen Tätigkeit in der Gesellschaft zur Disposition steht und keine durch Kennzahlen neutral zu ermittelnde Steigerungsrate. Ein prominentes Beispiel für diese Situation stellen aktuell die Schiedsverfahren des Jahres 2021 im Heilmittelbereich dar. Trotz sehr hoher Steigerungsraten werden die Schiedssprüche in den meisten Bereichen von der Leistungserbringerseite beklagt.

Neben der Kompetenz der Schiedsstelle gibt es eine ganze Reihe von Erfolgsgaranten dafür, dass auch im Falle eines Schiedsspruchs das Ergebnis von beiden Seiten akzeptiert wird. Zu den Erfolgsgaranten gehören ein vom Gesetzgeber vorgegebener realistischer Verhandlungsspielraum, das Heraushalten von politischen Grundsatzforderungen durch beide Vertragsparteien und damit ein grundsätzlicher Einigungswille. Von besonderer Wichtigkeit ist auch die Akzeptanz der Vertragspartner, dass es in einem Schiedsspruch niemals das formal „richtige“ Ergebnis geben kann und die Schiedsstelle nur für einen sinnvollen Interessenausgleich zwischen den Vertragspartnern sorgen soll. Zumeist liegt ein solches Verständnis für die Erfolgsfaktoren eines Schiedsverfahrens bei den Vertragspartnern im Gesundheitswesen vor. Dies führt dazu, dass abseits der politisch aufgeheizten Themen, zumeist völlig unbeachtet von der Öffentlichkeit, eine Vielzahl von Schiedsverfahren auf Bundes- und Landesebene stattfinden und eindrucksvoll belegen, dass die Selbstverwaltung der gesetzlichen Krankenversicherung auch dann funktioniert, wenn die Positionen der Vertragspartner auf den ersten Blick nicht miteinander vereinbar sind.

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