Stimmen aus der Selbstverwaltung

Welche gesundheitspolitischen Themen müssen von der neuen Bundesregierung angegangen werden?

Uwe Klemens, Verbandsvorsitzender des vdek

„Die Selbstverwaltung in den sozialen Sicherungssystemen und die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) haben in den letzten Monaten unter Beweis gestellt, wie handlungsfähig sie sind und dass sie mit Krisen wie einer schweren Pandemie umzugehen wissen. Umso wichtiger ist es, dass die Krankenkassen gut für künftige Aufgaben aufgestellt sind. Die ausstehende Finanzierungsgrundlage für das kommende Jahr ist dabei ein zentrales Thema: Klar ist, dass ein weiterer Bundeszuschuss von sieben Milliarden Euro für 2022 nötig ist, um den durchschnittlichen Zusatzbeitrag wie zugesagt bei 1,3 Prozent zu halten. Mittelfristig werden darüber hinaus weitere Maßnahmen notwendig sein. So sollte der pauschale Steuerzuschuss die versicherungsfremden Leistungen angemessen abgelten. Zudem gilt es, endlich den GKV-Beitrag für Arbeitslosengeld-II-Empfänger anzuheben, um die Leistungsausgaben vollständig decken zu können. Und für alle Leistungen in der GKV, bei denen die Mehrwertsteuer fällig ist, sollte die Steuer auf den ermäßigten Satz von sieben Prozent gesenkt werden. Nicht zuletzt wurden notwendige Strukturreformen bei den Leistungserbringern in der Vergangenheit allzu oft aufgeschoben. Insbesondere der stationäre Sektor hat hier großen Nachholbedarf.“

Uwe Klemens (TK) ist Verbandsvorsitzender des vdek.

Porträtaufnahme von Thomas Auerbach

„Die Krankenhauslandschaft steht vor großen Herausforderungen. Moderne Strukturen in der stationären Versorgung können dazu beitragen, die zentralen Probleme anzugehen und die Versorgungslandschaft zukunftssicher aufzustellen. Wir brauchen hier eine sinnvolle Strukturanpassung und einen ausgewogenen Mix aus maximalversorgenden und hochspezialisierten Zentren in Ballungsgebieten und einer basisversorgenden Krankenhauslandschaft in der breiten Fläche. Qualitätsverbesserung durch Leistungsverdichtung ist das Credo des vdek, für das wir konkrete Vorschläge gemacht haben. Ebenso ist das DRG-Vergütungssystem sinnvoll weiterzuentwickeln. Dazu sollten die Vergütung an die Versorgungsstufen angepasst werden und gewisse Vorhaltekosten, etwa für Abteilungen in der Grundversorgung, in den Fallpauschalen stärkere Berücksichtigung finden.“

Thomas Auerbach (BARMER) ist stellvertretender Verbandsvorsitzender des vdek.

Dieter Schröder (DAK-Gesundheit), stellvertretender Verbandsvorsitzender des vdek

„Die Soziale Selbstverwaltung ist der Erfolgsgarant für das Gesundheitswesen. Sie steht für eine versichertennahe, leistungsfähige und wirtschaftliche Gesundheitsversorgung. Wir erleben gerade einen großen Modernisierungsund Digitalisierungsschub für die Selbstverwaltung. Mit den Online-Sozialwahlen 2023 gehen wir den nächsten großen Schritt für die Digitalisierung unserer Arbeit. Wir bieten den Wahlberechtigten mit der Online-Stimmabgabe einen modernen Weg an, ihre Wahlstimme abzugeben. Das Modellprojekt der Online-Sozialwahlen 2023 wird natürlich evaluiert und weiterentwickelt. Danach benötigen wir vom Gesetzgeber den nächsten Schritt, damit die Online-Wahlen verstetigt werden und wir sie auch in Zukunft anbieten können. Bei den Sozialwahlen 2023 wird auch die Geschlechtergerechtigkeit zunehmen, durch die Geschlechterquote wird hier ein wichtiger Wandel eingeleitet. Wir werden mehr Frauen in der Selbstverwaltung begrüßen. Diese und weitere Maßnahmen stärken die Attraktivität der Sozialwahlen und stellen die Selbstverwaltung zukunftssicher und modern auf.“

Dieter Schröder (DAK-Gesundheit) ist stellvertretender Verbandsvorsitzender des vdek.

Hansjürgen Schnurr (KKH), stellvertretender Verbandsvorsitzender des vdek

„Die Ersatzkassen haben sich seit Jahren intensiv mit der Pflegeversicherung und den dazugehörigen notwendigen Reformen befasst und konkrete Reformvorschläge unterbreitet. In Zukunft sollten die Tarifpartner ihre Möglichkeiten stärker nutzen, um für gute Arbeitsbedingungen in der Pflege zu sorgen. Dazu gehören nicht nur angemessene Löhne. Wir müssen stärker auch die anderen Rahmenbedingungen in den Blick nehmen wie Arbeitszeiten, Urlaubsansprüche oder Teilzeitregelungen. Außerdem muss über politische Maßnahmen sichergestellt werden, dass die Eigenanteile der Pflegebedürftigen nicht unvermindert weiter steigen. Die sogenannte ‚Kleine Pflegereform‘ reicht dazu nicht aus, eine neue Bundesregierung muss sich diesen und weiteren Themen dringend annehmen. Als Ersatzkassen fordern wir darüber hinaus weitere Reformschritte, etwa die Beteiligung der privaten Krankenversicherung am Finanzausgleich mit der sozialen Pflegeversicherung und die verbindliche Übernahme der Investitionskosten durch die Bundesländer.“

Hansjürgen Schnurr (KKH) ist stellvertretender Verbandsvorsitzender des vdek.

Roland Schultze (hkk), stellvertretender Verbandsvorsitzender des vdek

„Die Versorgungsstrukturen in Deutschland sind seit Langem nicht mehr optimal aufeinander abgestimmt. Das ist hinlänglich bekannt und war in der Vergangenheit Anlass für eine Vielzahl von Reformansätzen, die bis heute weitestgehend gescheitert sind. Wir müssen in der stationären und ambulanten Gesundheitsversorgung in Deutschland die Sektorengrenzen endlich überwinden. Dazu brauchen wir eine übergreifende Bedarfsplanung. Die Angebote von ambulanter und stationärer Versorgung sowie die vermehrt digital erbrachten Leistungen müssen dringend besser aufeinander abgestimmt werden. Durch eine so verbesserte Planung und entsprechend angepasste Strukturen wird die regionale Versorgung für die Patientinnen und Patienten gestärkt.“

Roland Schultze (hkk) ist stellvertretender Verbandsvorsitzender des vdek.

Porträt Klaus Wonneberger (HEK) - Mitglied der vdek-Mitgliederversammlung

„Die Digitalisierung des Gesundheitswesens wird eine der größten Aufgaben der Zukunft sein und sollte deshalb zügig vorangetrieben werden. Aufgabe ist es, dabei den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit des Systems zu bewahren. Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) und weitere digitale Angebote bedürfen dazu angemessener Preise. Dabei ist es wichtig, dass die Angebote auf die Bedürfnisse der Versicherten zugeschnitten sind und die Patientinnen und Patienten die volle Kontrolle über ihre Daten erhalten. Die Krankenkassen benötigen die Möglichkeit, ihre Angebote an diesen Bedürfnissen der Versicherten auszurichten. Dazu bedarf es einer stärkeren Beteiligung der Selbstverwaltung an der strategischen Ausrichtung. Insbesondere am Beispiel der gematik zeigt sich, dass es eine starke Selbstverwaltung braucht, damit die Interessen der Versicherten gewahrt werden.“

Klaus Wonneberger (HEK) ist stellvertretender Verbandsvorsitzender des vdek.

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