Künstliche Intelligenz und Public Health

Drei Fragen an Prof. Dr. Lothar H. Wieler und Dr. Katharina Ladewig

Seit Januar 2021 baut das Robert Koch-Institut (RKI) ein „Zentrum für Künstliche Intelligenz in der Public Health-Forschung (ZKI-PH)“ auf. Der neue Standort in Wildau verbindet die Erforschung von Infektionskrankheiten und nicht-übertragbaren Erkrankungen mit Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI). In ersatzkasse magazin. sprechen RKI-Präsident Prof. Dr. Lothar H. Wieler und ZKI-PH Managing Direktorin Dr. Katharina Ladewig über Ziele, Chancen und Herausforderungen des ambitionierten Projekts.

Prof. Dr. Lothar Wieler (RKI) und Dr. Katharina Ladewig (ZKI-PH)

Welche neuen Möglichkeiten bietet KI im Bereich der Gesundheitsforschung?

Bisher wird Künstliche Intelligenz im Bereich Public Health – also Öffentliche Gesundheit – viel weniger eingesetzt, als dies in der medizinischen Versorgung der Fall ist. Dort ist es bereits heute möglich, durch die Analyse mehrerer Tausend Krankengeschichten durch Computerprogramme (Algorithmen) individuelle Krankheits‑ und Therapieverläufe ganz spezifisch vorherzusagen. Die Nutzung von KI im Bereich Public Health bedeutet eine weitergehende Analyse von vorhandenen Daten und zwar nicht nur Daten aus dem Gesundheitssystem, sondern auch sozioökonomische Daten, Ernährungsdaten oder zum Beispiel auch Wetterdaten, mit dem Ziel, Erkenntnisse zu gewinnen, die einen besseren Schutz vor Krankheiten für die gesamte Bevölkerung ermöglichen.

Welche konkreten Ziele hat das ZKI-PH mit Blick auf künftige Epidemien und Pandemien?

Das ZKI-PH hat das Ziel, die am RKI traditionell verankerten Expertisen in der Erforschung von Infektionskrankheiten und nicht-übertragbaren Erkrankungen (etwa Diabetes, Krebs, Adipositas) mit den Methoden der KI zu verbinden. Dies hilft uns zum Beispiel, bislang unbekannte Risikofaktoren für Krankheiten zu ermitteln, die Risiken von Krankheitserregern besser einschätzen zu können oder die Berechnung von Krankheitslasten zu optimieren. Und die integrierte Analyse etwa von Mobilitätsdaten mit Daten der klassischen Gesundheitsmeldesysteme ermöglicht es uns, Frühwarnsysteme zu entwickeln, um Epidemien des 21. Jahrhunderts noch effektiver einzudämmen. Am Ende dient all das der Prävention von Krankheiten, denn unsere Aufgabe als nationales Public Health Institut ist es weniger zu heilen als vorzusorgen. Hierin liegt ein immenses Potenzial, das in Deutschland wesentlich besser ausgeschöpft werden kann und muss.

Ein mächtiges Forschungsfeld in der KI ist Big Data. Dieser Ansatz konkurriert gerade in Europa mit sehr avancierten Datenschutzregeln, Gesundheitsdaten sind ein besonders sensibles Thema. Wie positioniert sich das ZKI-PH in diesem Spannungsfeld?

Verlässliche, aktuelle Daten sind – unabhängig von der Größe der Datensätze – Grundlage jeder erfolgreichen Pandemiebekämpfung. Damit aus den Daten wissenschaftliche Schlüsse gezogen werden können, müssen sie gesammelt, gespeichert, aufbereitet und analysiert werden. Die Möglichkeit einer intensiven Nutzung von Gesundheitsdaten erhöht die Aussagekraft dieser Analysen in Bezug auf das Pandemiegeschehen enorm, aber dafür ist sowohl methodisch hochwertiges Datenmanagement unter Beachtung der DSGVO als auch eine hochwertige Datenanalytik die Grundlage. Daher wird in Zukunft die Expertise verschiedener Bereiche des RKI innerhalb des neuen ZKI-PH gebündelt, wo IT‑ und KI-Experten Seite an Seite mit Datenschützern, Datenmanagern und -analysten arbeiten werden.

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