Telemedizin

Digitaler Fortschritt ist weit mehr als die Videosprechstunde

Das Gesundheitswesen wird immer digitaler. Davon können jedoch nicht alle Menschen gleichermaßen profitieren. Die Ersatzkassen (TK, BARMER, DAK-Gesundheit, KKH, hkk und HEK) nehmen dies zum Anlass und setzen sich gemeinsam dafür ein, die digitale Gesundheitskompetenz bei Patientinnen und Patienten mit wenig Erfahrung im Umgang mit digitalen Lösungen zu fördern.

Illustration: Digitalisierung im Gesundheitswesen

Telemedizin umfasst so viel mehr als nur die Videosprechstunde. Diese aber kommt immerhin bereits flächendeckend zur Anwendung; in Wellen parallel zur Corona-Inzidenz: Nach einem Peak im zweiten Quartal 2020 sind die Abrechnungszahlen zusammen mit den Inzidenzen gesunken; im Winter 2020/2021 wieder angestiegen. Die Videosprechstunde hat es auch bei hoher Inzidenz ermöglicht, die Patient:innen zu versorgen und vor Infektionsrisiken zu schützen. Gemessen an den mehr als einer Milliarde Arzt-Patienten-Kontakten insgesamt im Jahr erweist sich die Videosprechstunde aber „nur“ als nützliche Ergänzung. Bei allem, wofür eine körperliche Untersuchung erforderlich ist, eignet sie sich natürlich nicht. So testen wir derzeit etwa in unserem Projekt KBV-ZukunftsPraxis eine Datenbrille für ärztlich begleitete Haus‑ und Heimbesuche durch Praxisassistent:innen, um dieses Manko zu überbrücken. Denn die Fachgruppen nutzen die Videosprechstunde (noch) sehr unterschiedlich: Während etwa Internist:innen sie kaum anwenden, verbuchen die Psychotherapeut:innen 78,5 Prozent der Videosprechstunden; neuerdings nun auch für Gruppen. Aber: Behandeln Therapien problematische Beziehungssituationen zu Hause, bietet nur die Praxis einen geschützten Raum.

Versorgung ist hochkomplex – auch jenseits einer Pandemie

Zu bedenken sind aus ärztlicher und therapeutischer Sicht auch jene Patient:innen, die Videosprechstunden nicht nutzen können oder wollen. Unsere Versichertenbefragung hat gezeigt: Erst die Hälfte würde die Videosprechstunde anwenden oder tut es bereits. Je älter sie sind, desto größer ist die Ablehnung. Darüber hinaus ist die Nutzungsbereitschaft in den Städten größer als auf dem Land; gewiss nicht zuletzt abhängig vom Internet. Das Stadt-Land-Gefälle ist gerade auch deshalb interessant, weil die Videosprechstunde oftmals als Lösung für den Landarztmangel propagiert wird. Sie zeigt aber wieder, wie hochkomplex die Versorgung für Patient:innen auch jenseits einer Pandemie ist: Eine Lösung allein macht noch keine Telemedizin und reicht nie für alle und alles.

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