Abrechnungsbetrug

KKH um 4,7 Millionen Euro betrogen

Pfleger und Physiotherapeuten, die keine sind, abgerechnete Leistungen, die nie erbracht wurden: Durch solche und weitere Betrugsdelikte ist der KKH Kaufmännische Krankenkasse im vergangenen Jahr der bislang größte Schaden von 4,7 Millionen Euro entstanden. Für den traurigen Rekord verantwortlich sind vor allem ambulante Pflegedienste. Sie erschwindelten sich mit knapp 3,4 Millionen Euro den größten Batzen zulasten der Kranken- und Pflegeversicherung der KKH – nämlich etwa 70 Prozent der Gesamtsumme.

Dass dieser immense Schaden durch Betrug überhaupt aufgedeckt werden konnte, ist vor allem auf die Ermittlungserfolge der Staatsanwaltschaft gegen mehrere Pflegedienste im Raum Augsburg zurückzuführen. „Es sind zwar immer nur einige wenige schwarze Schafe, die kriminell agieren. Doch diese bereichern sich an Geldern, die den Versicherten für die Vorsorge und die Behandlung von Krankheiten vorbehalten sind“, betont KKH-Chefermittlerin Dina Michels. „Solche Betrüger erschüttern mit ihren Machenschaften das Vertrauen in das komplette Gesundheitssystem und bringen darüber hinaus die ehrlichen Leistungserbringer ihres jeweiligen Berufsstandes in Verruf.“

Infografik: Top 10 der Tatverdächtigen 2021 nach Leistungsbereichen

Das Tückische: Häufig kommen derartige Straftaten erst gar nicht ans Licht. Die Dunkelziffer im Gesundheitssektor ist hoch, die Schlupflöcher für Kriminelle zahlreich. Die Prüfgruppe Abrechnungsmanipulation der KKH erhielt 2021 immerhin bundesweit 352 neue Betrugshinweise. Ganz oben auf der Skala stehen Pflegedienste mit 147 Tatverdächtigen, gefolgt von Krankengymnasten und Physiotherapeuten (50 Tatverdächtige) sowie Ärzten (35 Tatverdächtige). Insgesamt entfiel im vergangenen Jahr fast die Hälfte aller Hinweise auf den Bereich Pflege (46 Prozent). Die Palette reicht von Pflegeheim- und Pflegedienstbetreibern, die zu viel für unqualifiziertes Personal abkassieren, bis hin zu Versicherten, die ihren Pflegegrad manipulieren. Die Pflege ist besonders anfällig für Straftaten. Seit Jahren registriert die KKH in diesem Bereich die meisten Fälle. „Hier wirken sich einerseits die jährlichen Abrechnungsprüfungen durch den Medizinischen Dienst aus. Andererseits scheinen in diesem Leistungsbereich immer mehr Menschen mit hoher krimineller Energie unterwegs zu sein“, bilanziert Juristin Michels.

Betrogen wird aber nicht nur in der Pflege, sondern auch in vielen anderen Bereichen des Gesundheitswesens – angefangen von Apotheken und Krankenhäusern bis hin zu Sanitätshäusern und Zahnarztpraxen. Dina Michels: „Hinter jedem Fall von Abrechnungsbetrug steht der Versuch, den eigenen Gewinn illegal zu maximieren – und zwar immer auf Kosten der Versicherten.“ Da werden Höchstsätze für unqualifiziertes Personal abkassiert, Berufsurkunden und Rezepte gefälscht oder Behandlungen und Krankenfahrten abgerechnet, die frei erfunden sind.

Infografik: Top 10 der Schadenssummen 2021 nach Leistungsbereichen

Um derartigen Straftaten auf die Schliche kommen zu können, sind Krankenkassen vor allem auf Hinweise angewiesen, etwa von den Medizinischen Diensten, anderen Krankenkassen, Medien und der Polizei. „Doch diese Hinweise allein reichen nicht aus, um die Betrüger dingfest zu machen“, betont Michels. Voraussetzung für einen erfolgreichen Kampf gegen kriminelle Machenschaften im Gesundheitswesen sei ein engmaschiges Netz aus professionellen Ermittlern. „Es darf nicht mehr passieren, dass begründete Verfahren mangels Spezialwissen eingestellt werden. Für die Täter ist das wie ein Freifahrtschein.“ Inzwischen gehen in den meisten Bundesländern landesweit SchwerpunktStaatsanwaltschaften oder eigens geschulte Fachkommissare der Kriminalpolizei Vermögensstraftaten und Korruption im Gesundheitssektor intensiv nach. „Dies sollte schnellstmöglich in allen Bundesländern der Fall sein“, fordert Dina Michels.

Betrug im Gesundheitswesen ist kein Kavaliersdelikt. Deshalb ist es wichtig, dass alle Verantwortlichen bei der Bekämpfung von Straftaten im Gesundheitswesen an einem Strang ziehen. Darüber hinaus ist der Schutz von Hinweisgebern von besonderer Bedeutung, damit die Ehrlichen am Ende nicht die Dummen sind. Auf ihrer Website nimmt die KKH Tipps auf Fehlverhalten im Gesundheitswesen über ein elektronisches Hinweisgebersystem sowohl namentlich als auch anonym entgegen.

» www.kkh.de/abrechnungsbetrug

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