Deutschland erkennt Sepsis

Bundesweite Kampagne zeigt Erfolg

Kampagnenlogo "Deutschland erkennt Sepsis"

Im Februar 2021 hat der vdek gemeinsam mit den Partner:innen von Deutschland erkennt Sepsis – dem Aktionsbündnis Patientensicherheit, der Sepsis-Stiftung, der Sepsis Hilfe und dem SepsisDialog der Uni Greifswald – den Startschuss für die bundesweite Aufklärungskampagne gegeben. Es gilt, Sepsis früher zu erkennen und dadurch möglichst viele Todesfälle durch Sepsis, umgangssprachlich oft Blutvergiftung genannt, zu vermeiden. Was wurde seitdem erreicht?

Sepsis ist mit mindestens 75.000 Todesfällen die dritthäufigste Todesursache in Deutschland und immer ein lebensbedrohlicher Notfall. Es handelt sich um eine überbordende Reaktion des Immunsystems auf jede Art von Infektion, die unbehandelt schnell zu Organversagen und Tod führt. Die Auslöser einer Sepsis können auf Bakterien, Viren oder auch Pilze zurückgehen. Am häufigsten entwickelt sich eine Sepsis aus einer Atemwegsinfektion, aber auch Infektionen des Bauchraums und Harnwegsinfektionen oder Viren wie SARS-CoV-2 sind häufige Ursachen. Vier von fünf Sepsis-Fällen werden außerhalb des Krankenhauses erworben. Fast ein Drittel aller im Krankenhaus behandelten Patientinnen und Patienten mit Covid-19 erfüllen die Kriterien einer Sepsis, für die auf der Intensivstation therapierten Patientinnen und Patienten sind dies sogar knapp 80 Prozent.

Die Folgen einer Sepsis sind in den meisten Fällen gravierend. In Deutschland lag die Sepsis-Sterblichkeit im Krankenhaus im Jahr 2015 bei 41,7 Prozent. Aus anderen Ländern ist bekannt, dass die Sterblichkeit durch frühzeitiges Erkennen und mit Unterstützung durch Aufklärungskampagnen von 45,5 auf 32,1 Prozent (Großbritannien) und sogar von 35,0 auf 18,5 (Australien) gesenkt werden kann. Aus diesem Grund wird davon ausgegangen, dass wir in Deutschland bis zu 20.000 Todesfälle durch Sepsis jährlich vermeiden können.

Aber auch die langfristigen Folgen einer Sepsis sind erheblich. Etwa 75 Prozent der Sepsis-Überlebenden haben nach überstandener Infektion mindestens eine neue Diagnose, in der jüngeren Gruppe der unter 40-Jährigen waren es immer noch mehr als 56 Prozent. Knapp ein Drittel, nämlich 31,5 Prozent, waren neu pflegebedürftig, davon zwölf Prozent so stark, dass sie stationär gepflegt werden mussten. Und über 30 Prozent der Überlebenden verstarben noch im ersten Jahr nach der Infektion.

Psychische, kognitive und körperliche Folgen betreffen die Mehrzahl der Überlebenden und treten oft zusammen auf. Dabei macht es überraschenderweise nur einen geringen Unterschied, ob die Sepsis weniger schwer verlief oder ob sie auf der Intensivstation behandelt werden musste.

Infografik: Folgen nach überstandener Sepsis

Trotz dieser alarmierenden Zahlen ist es in der Vergangenheit nicht gelungen, eine großangelegte Aufklärungskampagne für Sepsis zu initiieren, obwohl viel mehr Menschen an Sepsis als beispielsweise an Aids versterben. Aus diesem Grund haben die Partner von „Deutschland erkennt Sepsis“ und der vdek Anfang letzten Jahres bundesweit zu Aufklärungsaktionen aufgerufen. Mittlerweile haben sich zehn weitere Unterstützer aus dem Gesundheitsbereich der Kampagne angeschlossen, darunter zwei Kassenverbände. Als großer Erfolg ist zu werten, dass Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach als Schirmherr der Kampagne gewonnen werden konnte und das Bundesgesundheitsministerium (BMG) die Kampagne seit Juli 2021 mit 1,2 Millionen Euro fördert und hoffentlich auch die nächsten vier Jahre fördern wird, ein entsprechender Antrag ist gestellt.

Aufgrund der Corona-Pandemie hat sich die Kampagne bislang vor allem auf den Launch und die Weiterentwicklung der Webseite deutschland-erkennt-sepsis.de, auf zielgruppengerechte Publikationen sowie auf Social Media-Aktivitäten konzentriert. Zudem wurde unter anderem der von den Ersatzkassen finanzierte Kurzfilm „Gönn dem Tod ne Pause“ produziert. Auf diese Weise konnten auf YouTube, Facebook und Twitter mehrere Millionen Menschen erreicht werden. Derzeit wird mit der Unfallversicherung ausgelotet, Sepsis in die Erste-Hilfe-Kurse zu integrieren und damit Ersthelfer:innen zur Erkennung von Sepsis zu schulen. Es wurde ein Sepsis CIRS mit den Mitteln des BMG gestartet, dort können sowohl Patient:innen und ihre Angehörige als auch das Gesundheitspersonal ihre Erfahrungen teilen und so zur Verbesserung der Sepsis-Versorgung beitragen.

Zur frühen Erkennung von Sepsis bedarf es nicht nur gut geschulten Gesundheitspersonals, sondern auch geschulter Patientinnen und Patienten und Angehörige. Besonders hilfreich ist die neu entwickelte und interaktive Checkliste der Sepsis-Stiftung, mit der jede Person das aktuelle Sepsis-Risiko mit daraus resultierender Handlungsempfehlung ableiten kann. Ergänzend sind gezielte Ansprachen bestimmter Zielgruppen wichtig. Eine besondere Herausforderung ist das rechtzeitige Erkennen von Sepsis bei älteren Menschen mit mehreren Risikofaktoren wie etwa einem geschwächten Immunsystem, chronischen Krankheiten oder auch Operationen der letzten vier Wochen. Dabei erschwert insbesondere die Multimedikation das Erkennen einer Sepsis, wenn klassische Symptome einer Sepsis – zum Beispiel Verwirrtheit, Apathie oder Wesensveränderung – unterschieden werden müssen von Nebenwirkungen der Medikation. Genau hier wird das nächste Projekt der Ersatzkassen zusammen mit den Partner:innen von „Deutschland erkennt Sepsis“ ansetzen.

Portraitbild vdek-Vorstandsvorsitzende Ulrike Elsner

Die Ersatzkassen engagieren sich aus Überzeugung für Patientensicherheit und sind langjähriger Partner des Aktionsbündnisses Patientensicherheit. Daher war es für uns sofort klar, dass wir die Kampagne ‚Deutschland erkennt Sepsis‘ unterstützen. Wir freuen uns sehr, dass das Bundesministerium für Gesundheit diese Kampagne mittlerweile großzügig unterstützt. Die Kampagne ist ein wichtiger Beitrag, die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung zu stärken.

Ulrike Elsner ist Vorstandsvorsitzende des vdek und Mitglied im Kuratorium der Sepsis-Stiftung

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