Globaler Aktionsplan

Strategien für mehr Patientensicherheit

Mit Blick auf Patientensicherheit konnte in den vergangenen 20 Jahren auf nationaler und internationaler Ebene viel erreicht werden. Insbesondere die Corona-Pandemie hat deutlich gezeigt: Patientensicherheit erfordert globale Strategien. Der Globale Aktionsplan Patientensicherheit 2021–2030 der Weltgesundheitsorganisation (WHO) kann eine nachhaltige Umsetzung von Patientensicherheit in Deutschland maßgeblich vorantreiben.

Verlaufskurve, Stift und Taschrenrechner

Die Schädigung von Patientinnen und Patienten durch unsichere Versorgung ist eine der Hauptursachen für Tod und Behinderung weltweit. Bereits 2002 griffen die Vereinten Nationen das Thema Patientensicherheit als globale Herausforderung auf. Nur wenig später, im Jahr 2005, wurde in Deutschland das Aktionsbündnis Patientensicherheit e. V. (APS) gegründet. Es folgten über die nächsten Jahrzehnte internationale und nationalstaatliche Umsetzungsinitiativen zur Patientensicherheit mit ganz unterschiedlichem Ausprägungs- und Durchdringungsgraden für die jeweiligen Gesundheitssysteme. International und auch in Deutschland wurde sicherlich viel erreicht, aber man kann mit dem Erreichten noch immer nicht zufrieden sein.

Mit maßgeblicher Unterstützung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) wurde 2017 eine Resolution der Weltgesundheitsversammlung der WHO zu globalen Maßnahmen im Bereich der Patientensicherheit auf den Weg gebracht, die 2019 verabschiedet werden konnte. Die Resolution über „Globale Maßnahmen zur Patientensicherheit“ war ein ganz wichtiger Meilenstein in den weltweiten Bemühungen, konzertierte Maßnahmen zur Patientensicherheit zu ergreifen und die Belastung der Patientinnen und Patienten durch unsichere Gesundheitsversorgung zu verringern. Der „Globale Aktionsplan für Patientensicherheit 2021–2030“ wurde schließlich 2021 von der 74. Weltgesundheitsversammlung mit einer klaren Vision, Mission und Zielsetzung verabschiedet (s. Abb.).

Infografik: Globaler Aktionsplan für Patientensicherheit 2021–2030

Patientensicherheit betrifft viele und erfordert die aktive Beteiligung wichtiger Partnerinnen und Partner, von Patientinnen und Patienten und ihren Familien bis hin zu staatlichen, nicht staatlichen und professionellen Organisationen. Der Aktionsplan gibt allen Beteiligten eine strategische Richtung vor, um vermeidbare Schäden in der Gesundheitsversorgung zu beseitigen und die Patientensicherheit in verschiedenen Bereichen zu verbessern. Dafür benennt er sieben strategische Ziele und empfiehlt 35 Strategien. Jede Strategie wurde in Form von Handlungsvorschlägen für vier wichtige Gruppen oder Kategorien von Institutionen operationalisiert: Regierungen, Gesundheitseinrichtungen und -dienstleistungen, Interessengruppen und das WHO-Sekretariat.

Nationale Umsetzung

Die vollständige Umsetzung in Deutschland wird eine langfristige Aufgabe sein. Der Aktionsplan empfiehlt, dass vor der Umsetzung die Versorgungssituation bewertet und analysiert wird. Damit sollen Bereiche, in denen Fortschritte erzielt werden können, ebenso wie politische Möglichkeiten und Lücken in der Praxis ermittelt werden. Bei der Umsetzung soll ein Überwachungs- und Berichtswesen die Fortschritte des „Globalen Aktionsplans für Patientensicherheit 2021–2030“ messen und bewerten. Es wird ein Set von Indikatoren und globalen Zielvorgaben verwendet, die auf die strategischen Ziele abgestimmt sind. Die Indikatoren werden in „Basisindikatoren“ und „erweiterte Indikatoren“ eingeteilt, um den Aufwand für die Datenerhebung zu begrenzen und Flexibilität zu ermöglichen. Das WHO-Sekretariat wird die erforderlichen Daten in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und Partnern erheben und anschließend die erzielten Fortschritte analysieren. Über die Fortschritte bei der Umsetzung des „Globalen Aktionsplans für Patientensicherheit 2021–2030“ wird der Weltgesundheitsversammlung erstmals 2023 und dann alle zwei Jahre Bericht erstattet. Noch ist unklar, welche Institutionen in Deutschland Daten erheben werden und wer die Koordination mit dem WHO-Sekretariat übernehmen wird.

Der „Globale Aktionsplan für Patientensicherheit 2021–2030“ wird die Agenda der Patientensicherheit in Deutschland beeinflussen. Aus diesem Grund orientierte sich die Jahrestagung 2022 des APS Mitte Mai 2022 unter dem Motto „360° Patientensicherheit. Think global, act local“ an den sieben strategischen Zielen des Aktionsplans. Das APS setzt sich dafür ein, dass Patientensicherheit als Leitprinzip im Gesundheitswesen umgesetzt wird. Die Verantwortung für Patientensicherheit muss auf oberster Leitungsebene in Management und Politik verankert werden. Das Einbeziehen der Bevölkerung in das Thema Patientensicherheit ist in diesem Zusammenhang ebenso obligat wie die Schaffung von Transparenz über Qualität und Patientensicherheit im Gesundheitswesen. Auf nationaler und regionaler Ebene übernimmt das APS damit eine Vorreiterrolle zur nachhaltigen Umsetzung des globalen Aktionsplans.

Dr. Ruth Hecker, Vorsitzende des Aktionsbündnisses Patientensicherheit (APS)

Der Globale Aktionsplan für Patientensicherheit ist eine Bauzeichnung für mehr Sicherheitskultur als wichtige Grundvoraussetzung für mehr Patientensicherheit auch in Deutschland. Für alle Stakeholder im Gesundheitswesen gibt es dort konkrete Aufgaben. Eine Reflexion, mutig und ehrlich, ob unser Gesundheitssystem in die Anforderungen des 21. Jahrhundert passt, gehört auch dazu!

Dr. Ruth Hecker ist Vorsitzende des Aktionsbündnisses Patientensicherheit (APS)

Die sieben strategischen Ziele des „ Globalen Aktionsplans für Patientensicherheit 2021–2030“

  1. Die Eliminierung aller vermeidbaren Patientenschäden muss überall zu einer Geisteshaltung und zu einem Grundsatz für die Planung und Durchführung der Gesundheitsversorgung werden.
  2. Der Aufbau hochzuverlässiger Gesundheitssysteme und -organisationen, die Patientinnen und Patienten täglich vor Schaden bewahren.
  3. Die Gewährleistung der Sicherheit aller klinischen Prozesse.
  4. Die Einbindung und Befähigung von Patientinnen und Patienten und deren Familien, um den Weg zu einer sichereren Gesundheitsversorgung zu erleichtern und zu unterstützen.
  5. Inspiration, Ausbildung, Qualifizierung und Schutz aller Beschäftigten des Gesundheitswesens, damit diese zur Gestaltung und Umsetzung sicherer Versorgungssysteme beitragen können.
  6. Die Gewährleistung eines ständigen Informations- und Wissensflusses, um die Risikominderung, die Verringerung vermeidbarer Schäden und die Verbesserung der Sicherheit in der Versorgung zu fördern.
  7. Die Entwicklung und Aufrechterhaltung von sektorübergreifenden und multinationalen Synergien, Partnerschaften und Solidarität zur Verbesserung der Patientensicherheit und der Qualität der Versorgung.

Quelle: Globaler Aktionsplan für Patientensicherheit 2021–2030; Auf dem Weg zur Beseitigung vermeidbarer Schäden in der Gesundheitsversorgung (Deutsche Übersetzung); © Bundesministerium für Gesundheit 2021

Was ist Patientensicherheit?

Patientensicherheit ist das aus der Perspektive der Patientinnen und Patienten bestimmte Maß, in dem handelnde Personen, Berufsgruppen, Teams, Organisationen, Verbände und das Gesundheitssystem

  1. einen Zustand aufweisen, in dem unerwünschte Ereignisse selten auftreten, Sicherheitsverhalten gefördert wird und Risiken beherrscht werden,
  2. über die Eigenschaft verfügen, Sicherheit als erstrebenswertes Ziel zu erkennen und realistische Optionen zur Verbesserung umzusetzen und
  3. in der Lage sind, ihre Innovationskompetenz in den Dienst der Verwirklichung von Sicherheit zu stellen. Patientensicherheit erfordert das komplexe Zusammenspiel aller Akteure im Gesundheitswesen zum Wohle der Patientinnen und Patienten. Damit dies gelingt, muss die Patientenperspektive ins Zentrum rücken.

Quelle: APS-Weißbuch Patientensicherheit, 2018

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