Patientensicherheit

Auftrag, Nutzen und Perspektiven für die Krankenkassen

Die Krankenkassen sind Stakeholder im Gesundheitswesen und daher beim Ausbau der Patientensicherheit unmittelbar adressiert. Sie behandeln zwar Menschen nicht direkt, aber sie setzen Rahmenbedingungen. Als „Gestalter und nicht nur Verwalter“ sind Krankenkassen für die Organisation einer sicheren Versorgung daher mit in der Verantwortung.

Illustration: Krankenkassen und Patientensicherheit

Dieses Engagement der Krankenkassen fordern die Versicherten auch ein, wie der seit 2019 jährlich erscheinende TK-Monitor Patientensicherheit zeigt. Bei diesem Engagement geht es zuerst um die Reduktion von Leid. Wir müssen auch in Deutschland davon ausgehen, dass jeder 1.000 Krankenhaus-Fall aufgrund eines vermeidbaren Ereignisses tödlich endet (Schrappe 2019, WHO 2021). Deutschland wendet nach Angaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) aus dem Jahr 2017 allein im stationären Sektor 15 Prozent seiner Ausgaben für die Revision von Patientensicherheitsproblemen auf. Empirisch gut belegt ist, dass wir nicht an, sondern mit Patientensicherheit sparen können. Da Patientensicherheit auch Mitarbeiter sicherheit ist und damit die Attraktivität der Arbeitsbedingungen definiert, wird mit der Erhöhung der Patienten- und Mitarbeitersicherheit auch eine andere zentrale Aufgabe berührt: Die Arbeitsbedingungen in den Gesundheitsteams lassen sich so attraktiver gestalten

Grundsätzlich sind Krankenkassen zur Unterstützung bei Behandlungsfehler-Vorwürfen verpflichtet (§ 66 SGB V). So werden jährlich schätzungsweise 100.000 Fälle in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bearbeitet. Offizielle Statistiken dazu existieren nicht. Sicher ist, dass ein beachtlicher Fundus aufgebaut wurde, der bis heute in sträflicher Weise nicht für ein gemeinsames Lernen genutzt wird. Unter dem Primat der Prävention und der Zielsetzung einer humanen und wirtschaftlichen Versorgung sind Aktivitäten gefordert, die schon die Eintrittswahrscheinlichkeit von Risiken mit Potenzial für Schädigungen für unsere Versicherten reduzieren können. Erst reagieren, wenn etwas passiert ist, heißt zu spät agieren.

Die vielfältigen Aktivitäten der Ersatzkassen zur Umsetzung dieses Primats der Prävention kommen zum Beispiel im nachhaltigen Engagement des vdek bei der Förderung des Aktionsbündnisses Patientensicherheit e. V. (APS) zum Ausdruck. Seit Gründung des APS ist der vdek Premium-Kooperations-Partner dieser nationalen Plattform zum Ausbau der Patientensicherheit. Die erfolgreiche Entwicklung des APS ohne diese Unterstützung in den letzten 17 Jahren wäre so nicht möglich gewesen.

Als sichtbares und auch im „Globalen Aktionsplan Patientensicherheit 2021–2030“ der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gefordertes Engagement gilt der Einsatz von Beauftragten für Patientensicherheit. Die Techniker Krankenkasse (TK) hat bereits 2019 einen ersten Beauftragten für Patientensicherheit benannt. Seine Aufgaben und Aktivitäten werden in einem jährlichen Bericht auch öffentlich dargestellt. Der Bericht enthält darüber hinaus Literatur zu Aspekten der Patientensicherheit, die in diesem Artikel behandelt werden.

Die Aktivitäten der Krankenkassen sollten für die Versicherten transparent gemacht werden. Es ist daher zu begrüßen, dass der GKV-Spitzenverband plant, bei den Transparenzberichten der Krankenkassen zukünftig auch die Aktivitäten im Themenfeld Patientensicherheit für die Versicherten vergleichbar, manipulationsfrei und aussagekräftig darzustellen. Die TK hat in ihrem Transparenzbericht 2021 dazu bereits Vorschläge unterbreitet.

Anstehende Vorgaben der Bundesregierung wie etwa die Ausgestaltung eines Härtefall- und Entschädigungsfonds für Patienten erfordern fachliche Konkretisierung aus Perspektive der Patientensicherheit. Die Erwartung der Versicherten, aus schwerwiegenden Schäden zu lernen, bedeutet, baldmöglichst eine bundesweite Melde- und Lernplattform für diese Fälle einzurichten („Never Event-Register“). Und die Forderung nach verstärkter Einbeziehung von Patienten und ihren Angehörigen hat zur Folge, dass die Krankenkassen ihren Versicherten ein Angebot zum systematischen Austausch über sicherheitsrelevante Ereignisse anbieten und diese Erfahrungen auswerten (Versicherten CIRS-Deutschland). Damit sind nur einige Felder benannt, in denen ein Engagement oder zumindest eine Positionierung der Krankenkassen gefragt sein wird.

Als Krankenversicherung tragen wir Mitverantwortung für eine humane und wirtschaftliche Gesundheitsversorgung. Die Entwicklung einer gemeinsamen Sicherheitskultur erfordert das Engagement der Krankenkassen. Gemäß dem Anspruch „von der Verwaltung zur Gestaltung“ führt daran sicher kein Weg vorbei.

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