Krankenhaus Rating Report 2022

Vom Krankenhaus zum Geisterhaus?

Die Corona-Pandemie hat zu einer starken Reduktion der Leistungsmenge von Krankenhäusern geführt. Ausgleichszahlungen haben die Erlösminderungen aufgefangen, sodass das Jahr 2020 für Krankenhäuser wirtschaftlich besser war als 2019. Das zeigt der Krankenhaus Rating Report 2022. Sollte die Leistungsmenge nach der Pandemie niedrig bleiben, stehen die Krankenhäuser vor neuen Herausforderungen. Zugleich aber liegen Antworten auf dem Tisch.

Krankenhausflur

Es sind wirtschaftliche Schwierigkeiten und Anpassungsbedarfe, mit denen die Krankenhäuser konfrontiert werden. Hinzu kommen der Rückgang an Nachwuchskräften, die gesamtwirtschaftlichen Folgen des Krieges in der Ukraine und der teilweisen Deglobalisierung, die Nachwehen der Finanz- und Euro-Krise und das Erreichen von Klimaneutralität. Und die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) erwartet schon für 2023 ein Defizit von 17 Milliarden Euro. Jedoch gibt es noch eine Menge Potenziale: Reduktion der Bedarfe, sektorenübergreifende Versorgung, Ambulantisierung, Zentralisierung, Schwerpunktbildung, eine effiziente Allokation der Personalressourcen und der Einsatz moderner Technologien.

Zu Beginn der Corona-Pandemie mussten Krankenhäuser so viele Kapazitäten wie möglich freischaufeln. Im Jahr 2020 sank die stationäre Fallzahl um 13,5 Prozent und verharrte 2021 weitgehend auf diesem Niveau. Damit sanken die Erlöse aus Krankenhausleistungen. Die Erlösminderungen wurden jedoch durch Ausgleichszahlungen mehr als wettgemacht, sodass in wirtschaftlicher Hinsicht das Jahr 2020 ein gutes Jahr für Krankenhäuser war (s. Abb. 1). 28 Prozent der Krankenhäuser schrieben im Jahr 2020 auf Konzernebene einen Jahresverlust, nach 34 Prozent im Jahr davor. Besonders verbessern konnten sich kleinere Krankenhäuser, Einrichtungen mit unterdurchschnittlicher Fallschwere und nicht-private Krankenhäuser. Die Investitionsfördermittel der Länder beliefen sich 2020 auf 3,27 Milliarden Euro. Bezogen auf die Krankenhauserlöse entsprach dies 3,4 Prozent. Zum Erhalt der Unternehmenssubstanz sollten jährlich jedoch sieben bis acht Prozent der Erlöse in Investitionen fließen. Krankenhäuser versuchen, diese investive Lücke aus eigener Kraft zu schließen. Jedoch gelingt ihnen dies nur zum Teil, sodass es zu einem schleichenden Substanzverzehr kommt.

Infografik: Jahresergebnis von Kliniken

Die größte Herausforderung für die Volkswirtschaft ist der demografisch bedingte wachsende Mangel an Fachkräften. Gleichwohl gelang es dem Gesundheitswesen, die Anzahl sozialversicherungspflichtig beschäftigter Menschen zwischen 2015 und 2021 um 15 Prozent zu steigern; in den Krankenhäusern um zwölf Prozent. Trotzdem lag im März 2021 die Zahl der von Krankenhäusern gemeldeten offenen Stellen viereinhalbmal höher als im Januar 2007. Erfreulicherweise zeigen die Ausbildungsanstrengungen der Krankenhäuser erste Früchte. So ist die Anzahl ihrer Auszubildenden zwischen 2015 und 2021 um 41 Prozent gestiegen.

Sollte die Patientenzahl wieder das Vorkrisenniveau erreichen, würde bei einer Fortschreibung der Anteil der Krankenhäuser mit einem Jahresverlust bis 2030 auf 44 Prozent zunehmen. Das ist deutlich schlechter als 2019, jedoch kein Grund für eine Alarmstimmung, weil in diesem Szenario keine Gegenmaßnahmen unterstellt werden und noch Zeit wäre, Effizienzverbesserungen zu realisieren. Falls dagegen das Leistungsniveau weiterhin auf dem niedrigen Niveau von 2022 bliebe, käme es schon 2023 zu einer dramatischen Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Krankenhäuser. Schnelle Struktur- und Prozessoptimierungen sowie eine Anpassung der Krankenhauskapazitäten an das neue niedrigere Leistungsniveau wären dann nötig.

Gegenwärtige Probleme

Jedoch ist dies nicht die einzige Herausforderung. Dass wir in Deutschland in den 2020er Jahren auf ein enormes demografisch bedingtes Problem zuwandern, ist seit Jahrzehnten bekannt. Allerdings wurden mögliche Lösungen verschleppt. Nach wie vor ist die Corona-Pandemie virulent und erstmals herrscht wieder Krieg in Europa. Die Nachwehen der Finanz- und Euro-Krise sind noch nicht vorbei, sondern zeigen sich in der aufgeblähten Bilanz der Europäischen Zentralbank, und die Veränderung des Klimas wird immer sichtbarer. Gleichzeitig brechen derzeit Vorteile aus der internationalen Arbeitsteilung weg, womit die Effizienz der Leistungserbringung weltweit sinkt und die Preise für Güter und Dienstleistungen steigen. Gegenwärtig sind wir nicht für diese Herausforderungen gerüstet und der Veränderungsdruck wird immer stärker.

Die GKV erwartet für 2023 ein Defizit von 17 Milliarden Euro. Außerdem mangelt es an geeignetem Personal, um die erforderlichen Leistungen weiterhin in guter Qualität erbringen zu können. Allerdings hat das Gesundheitswesen noch eine Menge Potenziale zur Steigerung der Effizienz, zum Beispiel die Reduktion der Bedarfe durch Prävention und durch eine stärkere Auslese der Angebote mit höherem Nutzen und Vermeidung von solchen mit geringem Nutzen, eine sektorenübergreifende Versorgung und Ambulantisierung, Zentralisierung und Schwerpunktbildung, eine effizientere Allokation der Personalressourcen und der flächendeckende Einsatz moderner Technologien. Um sie zu heben, müssen wir die Vergütungssysteme entsprechend ausrichten. Diskutiert werden unter anderem Hybrid-DRG, um die Ambulantisierung zu befördern, Vorhaltepauschalen neben den DRG (diagnosebezogene Fallgruppen) und eine Neujustierung der Investitionsfinanzierung sowie der Finanzierung der Pflege im Krankenhaus. Der Koalitionsvertrag spricht viele dieser Themen an. Um ihr Potenzial zu nutzen, braucht es entschiedene politische Führung und eine entsprechende Priorisierung der Themen.

Infografik: Ausfallwahrscheinlichkeit von Krankenhäusern

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