Krankenhausreform

Ein wissenschaftliches Puzzlespiel

Ein Puzzle ist ein Geduldspiel, das für Rätsel und Verwirrung sorgt, da es aus vielen Einzelteilen besteht, die es gilt zusammenzulegen. Es erweckt den Eindruck, dass sich die Verantwortlichen der Bundesregierung hiervon inspiriert fühlten, als sie die Krankenhausreform dieser Legislaturperiode in Angriff genommen haben.

Überwachungsgeräte im Operationssaal

Seit Einführung der DRG-Fallpauschalen hat es, abgesehen von der erfolglos gebliebenen Qualitätsoffensive des Krankenhausstrukturgesetzes, keine nennenswerte Reform für den Krankenhaussektor gegeben. Dies soll nun anders werden. Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach hat eine Regierungskommission gebildet und dabei die Selbstverwaltungspartner bewusst außen vor gelassen. Die Regierungskommission hat zu Teilbereichen Vorschläge und Empfehlungen vorgelegt, die nun in Gesetzesvorschläge gegossen wurden. Gleichzeitig wurden weitere Reformbereiche angekündigt. Alle Reformmaßnahmen zielen darauf ab, den Leistungserbringern zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen. Kein einziger Vorschlag zielt bislang darauf ab, die Versorgungsstrukturen im Hinblick auf eine Verbesserung der Versorgungsqualität zu verändern, im Gegenteil. Von einer Krankenhausstrukturreform kann noch nicht die Rede sein.

Was sagen die Länder?

Nicht nur die Selbstverwaltungspartner auf der Bundesebene, sondern auch die Länder wurden bislang nicht prominent in die Arbeiten der Regierungskommission eingebunden. Es verwundert nicht, dass die Länder sich nun lautstark zu Wort gemeldet haben. Die Gesundheitsministerkonferenz hat jüngst in ihren Eckpunkten zur Krankenhausreform beschlossen, dass die Länder bei der Planung alles richtig machen und diese auch in Zukunft alleine bei ihnen liegen soll. Eigen- und Fremdwahrnehmung können bekanntlich abweichen. Die Länder werden sich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen. Eine Krankenhausreform ohne ihre Einbindung wird es nicht geben. Die Reaktion der Bundesregierung kam prompt.

Förderung der Geburtshilfe: 16 Länderlösungen

Die Bundesregierung hat sich darauf festgelegt, die Geburtshilfe finanziell fördern zu wollen. Die Regierungskommission hat Vorschläge unterbreitet, nur die auf Bundesebene festgelegten bedarfsnotwendigen Standorte zu fördern. Hiervon wurde nun abgewichen. Die Länder sollen die bedarfsnotwendigen Krankenhausstandorte mit einer geburtshilflichen Fachabteilung und die jeweilige Förderhöhe festlegen. Insgesamt sollen Beitragsmittel in Höhe von 120 Millionen Euro nach dem Königsteiner Schlüssel auf die Länder verteilt werden. Das Land soll bei seiner Entscheidung folgende Punkte berücksichtigen:

  • die länderbezogene Bedarfsnotwendigkeit
  • die Vorhaltung einer Fachabteilung für Pädiatrie am Standort
  • die Vorhaltung einer Fachabteilung für Neonatologie am Standort
  • den Anteil vaginaler Geburten am Standort
  • die Geburtenanzahl am Standort

Im Ergebnis werden 16 verschiedene Länderlösungen dazu führen, dass jede bisher im Plan ausgewiesene geburtshilfliche Abteilung auch bedarfsnotwendig ist und folglich finanziell gefördert werden muss. Es überrascht nicht, dass dies eine Reform nach dem Geschmack der Länder ist. Das Geld anderer lässt sich bekanntlich leichter ausgeben als das eigene.

Behandlung von Kindern: Beitragsgelder mit der Gießkanne verteilt

Für die Behandlung von Kindern sollen alle Krankenhäuser ein garantiertes Erlösvolumen von insgesamt 300 Millionen Euro erhalten. Außerdem sollen Minderbelegungen von bis zu 20 Prozent vollständig und bei Krankenhäusern von mehr als 20 Prozent zu 65 Prozent ausgeglichen werden. Die Förderung zielt dabei nicht auf die Strukturkomponente einer pädiatrischen Fachabteilung ab. Beitragsgelder werden mit der Gießkanne munter verteilt. Eine spezielle Förderung pädiatrischer Fachabteilungen in den ländlichen oder strukturschwachen Regionen hingegen hätte noch einen Sinn ergeben.

Tagesstationäre Behandlung

Bei der tagesstationären Behandlung soll es sich weiterhin um eine Krankenhausbehandlung handeln; damit ist es keine ambulante Behandlung. Sie ist inhaltsgleich mit der teilstationären Behandlung, wird jedoch besser vergütet. Als Vergütungs- oder Hotelkostenabschlag wird das abzurechende Relativgewicht pro Tag um 0,04 bis zu einer Grenze von 30 Prozent reduziert. Dies sind in etwa 150 Euro pro Nacht. Die Tagesbehandlung soll mehr als sechs Stunden am Tag mit ärztlicher oder pflegerischer Behandlung dauern. Konkretisierende Behandlungsanforderungen gibt es nicht. Sechs Stunden im Wartezimmer könnten die Anforderungen einer Tagesbehandlung erfüllen. Kosten für Transport und häusliche Pflege können nicht anfallen. Dies gilt nicht für den Rettungsdienst bei einem Notfall in der Nacht. Tagesstationäre Behandlung soll zu einer Entlastung des Krankenhauspersonals in der Nacht führen. Fakt ist, dass neben den Wochenenden der Personalmangel in dieser Zeit am größten ist und dass das Risiko des Nichterreichens der Pflegepersonaluntergrenzen, die eine Patientengefährdung ausschließen sollen, steigt. Damit besteht die Gefahr, dass Patient:innen nach Hause geschickt werden, weil vermieden werden soll, dass die Pflegepersonaluntergrenzen nicht erfüllt werden können. Die Patientensicherheit außerhalb der tagesstationären Behandlung ist nicht gewährleistet. Seltsam ist, dass Patient:innen in die tagestationäre Behandlung einwilligen müssen; damit gehen die Verantwortung und das Komplikationsrisiko für den Ausflug ins „eigene Bett“ auf die Patient:innen über. Versorgungsqualität und Sicherheit sehen anders aus.

Spezielle sektorengleiche Vergütung

Es ist kein Geheimnis, dass die dreiseitigen Verhandlungen zum neuen AOP-Katalog (Katalog ambulant durchführbarer Operationen), der auch stationsersetzende Maßnahmen enthalten soll, zäh verlaufen. Die Interessen der Krankenhäuser und niedergelassenen Ärzt:innen in diesem stark umkämpften Wettbewerbsfeld laufen auseinander. Der Gesetzgeber hat anscheinend die Geduld verloren und wird einen Teil der infrage kommenden Leistungen in einen neuen Leistungsbereich der speziellen sektorengleichen Vergütungen überführen und diese Aufgabe selbst in die Hand nehmen. Das Bundesgesundheitsministerium soll ermächtigt werden, bis Jahresende durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates das Nähere

  • zu den Leistungen, die bislang überwiegend stationär erbracht und abgerechnet wurden,
  • zur Abgrenzung der Leistungen,
  • zur Höhe der speziellen sektorengleichen Vergütung,
  • zum Abrechnungsverfahren und
  • zur Dokumentation

zu regeln. Eine Mammutaufgabe, die viele konfliktreiche Themen in kürzester Zeit lösen soll.

Reformen sind kein Spiel

Ein erfahrener Puzzlespieler weiß, dass man am Rand-Anfang beginnen muss, die Einzelteile zu einem Ganzen zusammenzufügen. Dem folgend hat sich die Regierungskommission zunächst mit den Randthemen einer Reform auseinandergesetzt. Eine Krankenhausreform ist kein Spiel, sondern eine ernstzunehmende Angelegenheit, bei der man zunächst zeitgleich die Kernthemen zur Vergütungs- und Vorhaltekostenfinanzierung, Krankenhausplanung, Ambulantisierung sowie zur Investitionsfinanzierung ineinandergreifend hätte festlegen müssen. Ansonsten wird diese Krankenhausreform nie zu einer Krankenhausstrukturreform.

Weitere Artikel aus ersatzkasse magazin. (6. Ausgabe 2022)