Arzneimittel

Lieferengpässe: Mehr Geld allein reicht nicht

Die Politik will Lieferengpässen von Arzneimitteln entgegenwirken. Bewährte Instrumente wie Festbeträge und Rabattverträge zu beschränken, erhöht jedoch zwar die Preise, aber nicht automatisch die Liefersicherheit.

Illustration: Lieferengpässe von Arzneimitteln

In den letzten Wochen und Monaten haben sich die Meldungen über Lieferengpässe von Arzneimitteln gehäuft. Zuletzt standen Arzneimittel für Kinder im Fokus, aber auch viele weitere Arzneimittel waren nicht sofort in der Apotheke verfügbar. Viele fragen sich, welche Gründe dazu geführt haben und wie man gegensteuern kann. Der Bundesgesundheitsminister vermutet die Ursache darin, dass die „Ökonomisierung zu weit getrieben wurde“ und will bewährte Instrumente wie Festbeträge und Rabattverträge beschränken oder für bestimmte Arzneimittelgruppen ganz abschaffen. Aber sind wir damit auf dem richtigen Weg?

Um die richtigen Maßnahmen zu ergreifen, muss man sich bewusst machen, dass der Weg eines Arzneimittels über die Zulassung, die Herstellung, den Vertrieb bis hin zur Abgabe durch die Apotheke ein außerordentlich komplexes System ist. Es müssen sehr viele Zahnräder ineinandergreifen, damit die Versorgung reibungslos funktioniert. Dieser Prozess unterliegt darüber hinaus auch vielen gesetzlichen Regelungen, um die hohe Qualität dieser besonderen Ware zu gewährleisten und damit Patientinnen und Patienten sich darauf verlassen können, wirksame und sichere Arzneimittel zu erhalten. Dafür geben die gesetzlichen Krankenkassen jährlich über 50 Milliarden Euro aus, die Ausgabensteigerungen liegen regelmäßig oberhalb von fünf Prozent pro Jahr.

Nun legt das Bundesgesundheitsministerium einen Eckpunkte-Plan vor, der helfen soll, den Mangel zu beheben. Fünf Ziele sollen dabei verfolgt werden:

  • Verbesserung der Versorgung mit Arzneimitteln für Kinder
  • Rabattverträge: Maßnahmen zur Diversifizierung der Lieferketten und verbindliche Vorratshaltung
  • Festbetrags-Arzneimittel: Unterstützung von Marktsegmenten mit wenigen Anbietern
  • Verbesserung der Arzneimittelversorgung für Patientinnen und Patienten in Apotheken
  • Verfahren zur frühen Erkennung von Versorgungsengpässen

Zur Erreichung dieser Ziele sollen Maßnahmenpakete geschnürt werden, die dann bis Ende des Jahres 2025 in Hinblick auf die Versorgungssituation evaluiert werden sollen.

Die Pandemie hat uns allen vor Augen geführt, wie wichtig ein resilientes Gesundheitssystem ist. Deshalb gehören diese Themen nicht nur in Deutschland auf die gesundheitspolitische Agenda. Denn neben der Verfügbarkeit eines Arzneimittels für den Einzelnen im Krankheitsfall gehört auch die Bezahlbarkeit zu einer sicheren Versorgung. Deshalb darf auch nicht aus den Augen verloren werden, welche Bedeutung ausgabensteuernde Instrumente wie Rabattverträge und Festbeträge haben, die den Wettbewerb der Firmen untereinander nutzen. Das sind Verfahren, die sich über Jahre bewährt haben und mit denen es gelungen ist, einen fairen Ausgleich zwischen den Interessen der Pharmaindustrie und denen der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler zu ermöglichen.

Wir halten die Idee, Rabattverträge und Festbeträge zu beschränken, für ungeeignet, die Versorgungssicherheit zu verbessern. Im Gegenteil: Wir sind überzeugt davon, dass gerade Rabattverträge die erforderliche Planbarkeit schaffen, die im System unabdingbar für eine sichere und bedarfsgerechte Versorgung ist. Mit dieser Einschätzung sind wir nicht allein, denn sogar die Bundesregierung selber hat anerkannt, dass Rabattverträge zu Berechenbarkeit und Liefersicherheit beitragen. Umso weniger ist nachvollziehbar, dass der ewige Ruf nach mehr Geld im System nun aufgegriffen wird. Mit der schlichten Erhöhung von Preisen durch eine Anhebung des Festbetragsniveaus und dem Aussetzen von Rabattverträgen ist eben nicht automatisch verbunden, dass die Liefersicherheit verbessert wird.

Eins ist sicher: Mit dem Bündel von Maßnahmen, die der Gesundheitsminister plant, werden die Kosten für Arzneimittel steigen. Ob damit allerdings Versorgungsengpässe verhindert werden können, wird sich erst erweisen müssen.

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