Sozialwahljahr 2023

Starke Stimme der Versicherten

Zum Auftakt des Sozialwahljahres 2023 haben Fachleute aus Politik, der gesetzlichen Krankenversicherung, Wissenschaft und Praxis auf einer Dialogveranstaltung des Verbandes der Ersatzkassen e. V. (vdek) über Herausforderungen und Potenziale der Sozialen Selbstverwaltung diskutiert. Der vdek-Verbandsvorsitzende Uwe Klemens und Dr. Rolf Schmachtenberg, Staatssekretär im Bundessozialministerium (BMAS), würdigten dieses besondere Prinzip der Mitbestimmung als Grundpfeiler der sozialen Sicherungssysteme und gelebte Demokratie.

Gemeinsame Buchpräsentation (v. l. n. r.): Dr. Bernard Braun, Prof. Dr. Tanja Klenk und der vdek-Verbandsvorsitzende Uwe Klemens

„Das solidarische Selbstverwaltungsmodell ist die bessere Alternative gegenüber rein staatlichen oder überwiegend vom Markt diktierten Gesundheitssystemen“, betonte Klemens. Denn es sei nah bei den Betroffenen, nah am Versorgungsgeschehen und zeichne sich durch eine grundsätzliche Unabhängigkeit gegenüber den staatlichen Akteuren aus. Durch ihre im Zuge der Sozialwahlen eingesetzten Vertreterinnen und Vertreter gestalteten Versicherte und Arbeitgeber ihre Kranken- und Rentenversicherung mit.

vdek-Vorstandsvorsitzende Ulrike Elsner im Gespräch mit BMAS-Staatssekretär Dr. Rolf Schmachtenberg

Die bewährten selbstverwalteten Strukturen auszubauen und weiter zu entwickeln, erklärten die Konferenzteilnehmenden zum zentralen Zukunftsziel. „Die Veranstaltung des vdek hat noch einmal deutlich vor Augen geführt, was wir an der Selbstverwaltung haben und dass sie für eine gute Zukunft der sozialen Sicherungssysteme unverzichtbar ist“, betonte Schmachtenberg. Er lobte in diesem Zusammenhang die notwendigen Weichenstellungen durch die im Februar 2021 in Kraft getretene Reform der Sozialen Selbstverwaltung, die zu ihrer Stärkung in schwierigen Zeiten beigetragen habe. Durch die Reform greift bei den diesjährigen Sozialwahlen erstmals eine Frauenquote für die Besetzung der Gremien. Zudem gibt es bessere Rahmenbedingungen für die Ehrenamtlichen, etwa in Form von zusätzlichen Urlaubstagen für Fortbildungen und eine klarer geregelte Freistellung vom Arbeitsplatz.

Für soziale Mitbestimmung begeistern

Die Sozialwahl 2023, ihr Gewicht für Demokratie und der Einfluss der Versicherten gegenüber der Politik bildeten einen weiteren Themenschwerpunkt des vdek-Dialogs. Stichtag für die Sozialwahl ist der 31. Mai 2023. Damit konstituieren sich auch die Verwaltungsräte der Ersatzkassen neu. Ab April 2023 werden allein bei den Ersatzkassen rund 22 Millionen Wahlberechtigte aufgefordert, ihre Stimme für ihre ehrenamtlichen Vertreterinnen und Vertreter in den Versichertenparlamenten abzugeben. Nach der Bundestagswahl und der Europawahl ist die Sozialwahl mit insgesamt mehr als 51 Millionen Wahlberechtigten die drittgrößte Wahl in Deutschland.

Der Bundeswahlbeauftragte für die Sozialversicherungswahlen, Peter Weiß (CDU), und seine Stellvertreterin Doris Barnett (SPD) nahmen die Bedeutung der Urwahlen für die Sozialversicherungswahlen in den Blick. Indem die Versicherten ihre Vertreterinnen und Vertreter selbst wählten, entstehe eine „lebendige Verbindung zwischen den Mitgliedern der gesetzlichen Krankenkassen und ihren Selbstverwaltern und Selbstverwalterinnen.“ Weiß und Barnett zeigten sich auch überzeugt, dass das Modellprojekt der Online-Wahl, die zusätzlich zu den Briefwahlen angeboten werden soll, zu mehr Aufmerksamkeit für die Sozialwahl 2023 führe – und gerade die jüngeren Wählerinnen und Wähler zur Stimmabgabe motiviere.

Der gemeinsame Austausch machte deutlich, dass die Vermittlung von Wissen über die Soziale Selbstverwaltung und ihre Gestaltungsspielräume auch Bildungsaufgabe ist und daher unter anderem ein stärkeres Gewicht im Schulunterricht bekommen sollte. Denn dort werde der Grundstein für das Interesse an Sozialstaat, Solidargemeinschaft und eigenem Engagement gelegt.

Fokus auf Sichtbarkeit und Werte

Mit einer gemeinsamen Öffentlichkeitskampagne zur Sozialwahl 2023, die Jörg Ihlau von der Agentur Serviceplan präsentierte, wollen die gesetzliche Krankenversicherung und die Deutsche Rentenversicherung Bund die Soziale Selbstverwaltung sichtbarer machen und zeigen, wie stark sie in der deutschen Sozialpolitik verankert ist. Darüber hinaus gebe es neue Kommunikationsimpulse, die bei der besonderen gesellschaftlichen Situation mit Blick auf Corona-Pandemie, Energiekrise und Ukraine ansetzen. Die Pandemie habe die Menschen stark belastet, ihnen aber gleichzeitig auch gezeigt, wie wertvoll ein funktionierender, reaktionsfähiger Sozialstaat in der Krise ist.

Gut besuchte Dialogveranstaltung in der vdek-Verbandszentrale

Buch zur Sozialen Selbstverwaltung vorgestellt

Zugleich stellten Dr. Bernard Braun, Sozial- und Gesundheitswissenschaftler an der Universität Bremen, und Prof. Dr. Tanja Klenk, Verwaltungswissenschaftlerin an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg, zusammen mit Klemens das von ihnen herausgegebene Buch „SELBST verwalten! – Wie Ehrenamtliche unser Gesundheitswesen mitgestalten“ vor. „In diesem Sammelband wird zum ersten Mal die Soziale Selbstverwaltung in ihren vielen Facetten zusammenhängend und umfassend erläutert“, so Klemens. Rechtzeitig vor der bevorstehenden Sozialwahl biete das Buch allen Interessierten die Chance, die Soziale Selbstverwaltung besser kennenzulernen und ihre große Bedeutung für den deutschen Sozialstaat zu verstehen.

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