Gastkommentar

Mit Gesetzen allein ist es nicht getan

Arzt mit einer Tafel Digitalisierung

Nur kurz zur Erinnerung: Die ersten PCs kamen in den Achtzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts auf den Markt, das Betriebssystem Windows 3.0 schaffte rasch den Durchbruch, nachdem es im Mai 1990 erstmals zur Verfügung stand. Das Fernbehandlungsverbot, das telemedizinische Behandlungen unmöglich machte, schaffte der Deutsche Ärztetag aber erst im Jahr 2018 ab. Allein dieses Beispiel zeigt, dass Deutschland bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens lange Zeit enorm träge und somit – verglichen mit anderen Ländern – ein Nachzügler war. Ja, daran hat die Pandemie einiges geändert. Und inzwischen sind Gesundheits-Apps, die Online-Buchung eines Arzttermins oder digitale Fitness-Anwendungen für viele selbstverständliche Alltagsbegleiter. Trotzdem fällt das Gesamtbild nach wie vor düster aus: Weder wird die elektronische Patientenakte häufig genutzt noch hat die Versichertenkarte gut 20 Jahre nach ihrem Geburtstag irgendeinen digitalen Nutzen. Mehr noch: Viele Vertragsärzte beäugen die Digitalisierung mit großem Argwohn, weil sie allzu oft erfahren haben, dass die Neuerung nicht klappt – dass sie in den Praxen also nur zu mehr Arbeit und einigem Ärger wie zuletzt beim Austausch der Konnektoren führt. Somit ist auch klar, dass es mit Gesetzen allein nicht getan ist. Davon gab es in der Amtszeit von Jens Spahn sehr viele. Bei sechs Vorhaben des CDU-Politikers lag der Schwerpunkt eindeutig auf der Digitalisierung, bei vielen anderen ergaben sich immerhin Bezüge dazu. Auch setzte Spahn durch, dass die öffentliche Hand die Mehrheit an der gematik übernahm. Die Telematik-Infrastruktur ist jedoch darüber nicht rasch und flächendeckend gewachsen. Politischer Druck gerät eben an seine Grenzen, wenn es darum geht, hunderttausende Gesundheitsberufler in den Praxen, Apotheken und Kliniken zu vernetzen und – wo nötig – eine Interaktion mit den Krankenkassen möglich zu machen. Noch weiß niemand, ob es der Ampel-Koalition gelingt, die Digital-Versäumnisse aufzuholen. Zwar hat Minister Karl Lauterbach nun Gesetzentwürfe vorgelegt, die der elektronischen Patientenakte und der Datennutzung seitens der Wissenschaft zum Durchbruch verhelfen sollen. Beides ist sinnvoll. Doch wie gesagt: Mit Vorschlägen aus Berlin allein ist es nicht getan. Das war bei Spahn so – und bei Lauterbach ist es kein Jota anders.

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