Seit über 20 Jahren sind Disease-Management Programme (DMP) fester Bestandteil der Versorgung chronisch kranker Menschen. Sie gewährleisten eine strukturierte und koordinierte Versorgung der Versicherten nach evidenzbasierten Leitlinien und festgelegten Abläufen der Zusammenarbeit.
Neben der Steuerungsfunktion zielen die DMP insbesondere auch auf die Befähigung und Stärkung des Selbstmanagements der Versicherten. Die für chronisch Kranke in der Regel notwendige dauerhafte ärztliche Betreuung soll daher immer auch die Eigeninitiative der Versicherten stärken und gemeinsam festgelegte Behandlungsziele sichern. Zu diesem Zweck werden in allen DMP einheitlich festgelegte Parameter dokumentiert. Diese – im Übrigen schon seit vielen Jahren digital erfassten – DMP-Dokumentationen werden zudem für ärztliche und kassenseitige Qualitätssicherungsmaßnahmen genutzt.
Seit Einführung der ersten DMP im Jahr 2002 liegen mittlerweile Anforderungen für insgesamt 12 Indikationen vor. Für ein weiteres DMP – das DMP Adipositas für Kinder und Jugendliche – werden die Anforderungen in den nächsten Wochen in Kraft treten. Die Ersatzkassen haben frühzeitig bundesweit die DMP Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2, Koronare Herzkrankheit, Asthma bronchiale, COPD und Brustkrebs umgesetzt. Von den neueren DMP steht den Versicherten inzwischen in vielen Regionen das DMP Osteoporose als Versorgungsangebot zur Verfügung. Das DMP Rheumatoide Arthritis wird zeitnah folgen. Die Ersatzkassen werden sich darüber hinaus für eine zügige Umsetzung der DMP Adipositas einsetzen.
Die Kritik, die DMP seien zu bürokratisch und ihre Umsetzung zu langsam, ist nicht ganz unberechtigt. Für mehr Schnelligkeit in der Umsetzung braucht es neben gut operationalisierbaren Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusse (G-BA) vor allem den Willen der Beteiligten. Hier sind neben den Kostenträgern vor allem die Leistungserbringer gefragt. Aber auch für die Umsetzung der DMP zwingend einzubindende Dritte, wie die Hersteller von Praxisverwaltungssystemen (PVS), die DMP-Datenstellen oder das Bundesamt für Soziale Sicherung können effizienter werden. Die gern geforderte Einführung eines Kontrahierungszwanges für DMP wird dagegen nicht zu einer schnelleren Umsetzung führen, denn er allein beschleunigt die Prozesse nicht.
Entbürokratisierung und Digitalisierung
Eine Entbürokratisierung der DMP ist in jedem Falle angezeigt und auch gut und ohne Qualitätseinbußen möglich. So könnten die gesetzlich normierten Regelungen zur Teilnahme von Versicherten vereinfacht werden. Hierunter fallen die rückwirkende Ausschreibung von Versicherten oder der Ausschreibungsgrund nicht in Anspruch genommener Schulungen. Die Einschreibung wiederum muss zukünftig auch digital möglich sein. Grundsätzlich bietet die Digitalisierung der DMPProzesse eine echte Chance auf eine effizientere Administration und mehr Versorgung. Dies beginnt mit der konsequenten Nutzung der ePA und der Möglichkeit, die für das DMP so wesentlichen Dokumentationen dort für alle einsehbar strukturiert zu hinterlegen. Dies erspart Rückfragen von an der Behandlung beteiligten, nicht koordinierenden Ärzten und vereinfacht die interdisziplinäre Zusammenarbeit. Und der Versicherte hat seine Verlaufsdaten jederzeit abrufbar in seiner Akte parat.
Auch die aktuell in Teilen noch in Papierform laufende Kommunikation zwischen Arzt und Krankenkasse, beispielsweise zum Beginn oder Ende der Teilnahme der Versicherten, kann und sollte zukünftig digital erfolgen. Hier bietet die Kommunikation in der Medizin (KIM) einheitliche Standards, die genutzt werden können. Perspektivisch ist auch die Digitalisierung der DMP-Prozesse bietet Chance auf effizientere Administration und mehr Versorgung Kommunikation zwischen Arzt und DMP-Teilnehmer digital möglich und kann helfen, kurzfristig auf notwendige Bedarfe der Versicherten zu reagieren oder gemeinsam festzustellen, dass ein ursprünglich angesetzter Kontrolltermin entfallen oder als Videokonsultation erfolgen kann.
Gerade für die Behandlung im Rahmen des DMP, die von einem engen und auf Dauer angelegten Arzt-Patienten-Kontakt, einem regelmäßigen Monitoring und der Eigeninitiative der Versicherten geprägt ist, bietet die Digitalisierung der Kommunikations- und Versorgungsprozesse einen echten Mehrwert. Gerade deshalb sollten konsequent für alle DMP-Indikationen die jeweils zur Verfügung stehenden digitalen Möglichkeiten genutzt werden. Die vom Gesetzgeber zuletzt getroffene Regelung, Anforderungen für digitale DMP Diabetes zu treffen, greift daher zu kurz und suggeriert, der G-BA müsse gesonderte Regelungen für digitale DMP festlegen, welche dann neben den analogen stehen. Vielmehr sollten digitale Kommunikations- und Versorgungsprozesse für alle DMP verfügbar sein und in die bestehenden – bisher als analog bezeichneten – DMP integriert werden. Nur so sind die Programme zukunftsfähig und tragen weiterhin zu einer verbesserten Versorgung von chronisch Kranken bei.
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