Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG)

Entbudgetierung verteuert die Versorgung

Die Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) spitzt sich von Jahr zu Jahr zu. Wird nichts unternommen, werden die Beitragssätze auch 2026 und in den Folgejahren drastisch steigen. Nach der Regierungsneubildung sind deshalb ein Sofort-Gesetz zur Stabilisierung der Beitragssätze und die Rückkehr zur stabilitätsorientierten Ausgabenpolitik notwendig. Zudem muss die nächste Bundesregierung die Finanzprobleme der Pflegeversicherung angehen und Pflegebedürftige von steigenden Eigenanteilen entlasten.

Durch das GVSG werden erbrachte hausärztliche Leistungen ab dem 1. Oktober 2025 ohne Deckelung und somit ohne honorarwirksame Begrenzungsregelungen vollständig vergütet. Dies soll Hausärztinnen und Hausärzten ermöglichen, mehr Zeit für ihre Patientinnen und Patienten aufzubringen und notwendige Leistungen ohne finanzielle Beschränkungen zu erbringen. Bundesweit entstehen durch die Entbudgetierung jährliche Mehrkosten von etwa 500 Millionen Euro, was einer Steigerung der Vergütung der hausärztlichen Kernleistungen um rund fünf Prozent entspräche. Allerdings verteilen sich diese „Entbudgetierungsgewinne“ sehr ungleichmäßig: In den meisten Regionen, insbesondere im Osten und Süden Deutschlands, ist zu erwarten, dass die Steigerungen – zum Teil deutlich – unter dem Wert von fünf Prozent bleiben werden, während sie in Hamburg und Berlin höchst überproportional ausfallen. Allein an diese beiden Städte werden über 100 Millionen Euro fließen. Abb.1 zeigt, welche Regionen in welchem Umfang von der Entbudgetierung profitieren werden.

Abb. 1: Erwartete Erhöhung der hausärztlichen morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) durch Ausgleichszahlungen in Prozent

Kein Mittel gegen Ärztemangel und lange Wartezeiten

Eine reine Honorarerhöhung führt jedoch nicht automatisch zu einer Verbesserung der Versorgungsqualität oder -zugänglichkeit. Vielmehr ist eine wirksame Steuerung im Gesundheitssystem notwendig. Budgetierungen dienen der effizienten Verteilung finanzieller Ressourcen und der Ausgabenkontrolle. Durch die Entbudgetierung entfällt diese Steuerungsfunktion, was eine ineffiziente Ressourcenallokation und unkontrollierte Kostensteigerungen zur Folge haben kann.

Dies zeigt auch ein Vergleich der „Entbudgetierungsgewinne“ mit den auf Bundeslandebene gewichtet zusammengeführten hausärztlichen Versorgungsgraden: In Abb. 2 sind Regionen umso dunkler dargestellt, je größer der „Verfehlungsgrad“ der Entbudgetierung ist. Eine dunkle Färbung bedeutet einen hohen hausärztlichen Versorgungsgrad sowie eine hohe erwartete Zahlung aufgrund der Entbudgetierung; bei hellen Färbungen liegt ein geringer Versorgungsgrad und/oder eine geringe erwartete Ausgleichszahlung vor.

Abb. 2: Verfehlungsgrad in Prozent

Es ist davon auszugehen, dass die Entbudgetierung drängende Probleme wie Ärztemangel und lange Wartezeiten nicht lösen wird. Es entsteht vielmehr der Eindruck, dass Hausärztinnen und Hausärzte mehr Honorar erhalten, ohne mehr Patientinnen und Patienten behandeln zu müssen. Dies gilt umso mehr, als vor allem Hausärztinnen und Hausärzte in Ballungsräumen profitieren, während die Versorgung in ländlichen Gebieten durch die Entbudgetierung nicht verbessert wird.

Patientengerechtere Versorgung durch neue Pauschalen

Während die Entbudgetierung finanzielle Freiheiten schaffen soll, verfolgt das GVSG mit der Einführung zweier neuer Pauschalen das Ziel, die Qualität und Effizienz der hausärztlichen Versorgung zu stärken.

Mit der Einführung der neuen sogenannten Vorhaltepauschale sollen die notwendigen Strukturen für die hausärztliche Versorgung neu definiert und Mindestkriterien festgelegt werden. Unter anderem sollen Hausbesuche und Besuche in Pflegeheimen, bedarfsgerechte Öffnungszeiten der Praxen sowie die Nutzung der Telematikinfrastruktur besonders honoriert und damit eine spürbare Verbesserung der medizinischen Basisversorgung und Erreichbarkeit der Hausärzte bewirkt werden.

Neu eingeführt wird zudem eine Versorgungspauschale zur Behandlung chronisch kranker Patientinnen und Patienten. Künftig ist unabhängig von der Zahl und Art der Arztkontakte innerhalb eines Halbjahres beziehungsweise Jahres nur noch eine Abrechnung erforderlich. Insbesondere Patientinnen und Patienten mit leichten chronischen Erkrankungen müssen künftig nicht mehr jedes Quartal einbestellt werden, wenn sie zum Beispiel nur ein Rezept abholen. Damit können hausärztliche Kapazitäten effizienter genutzt und ärztliches sowie nicht-ärztliches Personal entlastet werden, wenn medizinisch unnötige Arzt-Patienten-Kontakte entfallen.

Die Pauschalen sind innerhalb einer Frist von drei beziehungsweise sechs Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes durch den Bewertungsausschuss zu beschließen. Unter der Vorgabe der Finanzneutralität ist zu erwarten, dass sich die Beratungen im Bewertungsausschuss aufgrund des umzuverteilenden Volumens in Höhe von mindestens drei Milliarden Euro schwierig gestalten werden.

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