Die Diskussion um den Hausärztemangel ist ein zentrales Thema in der Gesundheitspolitik. Immer wieder wird gefordert, mehr Medizinstudienplätze bereitzustellen, um die Versorgungslücke zu schließen. Doch ist dieser Ansatz wirklich die richtige Lösung? Ein genauerer Blick auf die Fakten zeigt, dass der Fokus eher auf der Entlastung der Hausärzt:innen und der Verbesserung der Arbeitsbedingungen liegen sollte.
Die Zahl der Medizinstudierenden in Deutschland wächst, und der Ausbau der Studienplätze wird weiter vorangetrieben. Bis 2030 werden jährlich 13.000 staatliche Medizinstudienplätze zur Verfügung stehen. Weniger bekannt ist, dass auch immer mehr private Hochschulen und Medical Schools Medizinstudienplätze anbieten. Zusammen mit den Studienplätzen im EU-Ausland ergibt sich eine Zahl von derzeit etwa 16.000 deutschen Studienanfänger:innen pro Jahr (Abb. 1 ).
Doch zwischen dem Beginn des Studiums und der hausärztlichen Tätigkeit müssen angehende Mediziner:innen noch das Studium abschließen, eine Facharztausbildung absolvieren und schließlich in eine Praxis eintreten. In der Regel vergehen dafür rund 12 bis 15 Jahre – eine lange Zeit, die in der Diskussion oft unbeachtet bleibt.
Es ist korrekt, dass die Zahl der älteren Menschen in Deutschland zunimmt, was den Bedarf an medizinischer Versorgung verstärkt. Denn die Anzahl der jährlichen Arztbesuche ist bei der älteren Bevölkerung höher als im Durchschnitt. Doch laut Bevölkerungsprognosen wird das Wachstum der älteren Bevölkerung ab 67 Jahren voraussichtlich noch bis Ende der 2030er-Jahre anhalten und danach stagnieren (während die Gesamtbevölkerungszahl konstant bleibt). Die prognostizierte Bevölkerungsveränderung führt also nicht zu einem Anstieg des Bedarfs an Hausärzt:innen nach dem Jahr 2040.
Zwischen 2022 und 2039 wird die Anzahl der Personen über 67 Jahre bei moderater Entwicklung um 26 Prozent steigen. Dies entspricht in etwa dem Zuwachs der Zulassungskapazitäten an staatlichen Hochschulen (+28 Prozent) zwischen 2009 und 2026. Privatstudierende sind hier noch nicht berücksichtigt – der tatsächliche Anstieg ist also deutlich höher. Bei einer durchschnittlichen Ausbildungszeit von 13 Jahren bis zum Eintritt in die hausärztliche Versorgung wird es, basierend auf staatlichen Studienplätzen, in den Jahren zwischen 2030 und 2040 zu Engpässen kommen (Abb. 2).

Entlastung statt Ausbau: Neue Lösungsansätze
Das Problem des Engpasses bei den Hausärzt:innen lässt sich nicht durch eine weitere Erhöhung der Medizinstudienplätze, sondern durch die Optimierung Eine wichtige Rolle könnte dabei die Digitalisierung spielen. Durch digitale Patientenakten, Videokonsultationen und automatisierte Prozesse könnten Hausärzt:innen deutlich entlastet werden, was ihnen mehr Zeit für die Patientenbetreuung verschafft. Diese Technologien müssen allerdings nicht nur verfügbar sein, sondern aktiv weiterentwickelt und als Erleichterung wahrgenommen werden.
Zudem könnte eine stärkere Delegation einfacher ärztlicher Tätigkeiten, etwa an Physician Assistants (PAs), eine wertvolle Unterstützung darstellen. Diese hochschulisch qualifizierten Fachkräfte übernehmen Routineaufgaben und entlasten Ärzt:innen von verschiedenen Tätigkeiten. Ein entscheidender Vorteil von PAs ist ihre kürzere Ausbildungszeit im Vergleich zu Ärzt:innen. Dadurch können sie deutlich schneller in der hausärztlichen Versorgung tätig werden und tragen so zu einer schnelleren Entlastung der Hausärzt:innen bei – besonders in der kritischen Phase zwischen 2030 und 2040.
In der Zusammenschau wird deutlich, dass der Versorgungsengpass im hausärztlichen Bereich sich nicht durch eine Erhöhung der Medizinstudienplätze lösen lässt, da die Mediziner:innen zu spät in der Versorgung ankommen. Der Schlüssel liegt vielmehr in der effizienten Nutzung bestehender Ressourcen und der Entlastung der Hausärzt:innen durch neue Technologien sowie die Unterstützung durch sehr gut ausgebildete assistierende Fachkräfte. Durch eine konsequente Umsetzung dieser Ansätze kann die hausärztliche Versorgung in den kommenden Jahren gesichert und optimiert werden.
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