Stellungnahme zum Digitale Versorgung und Pflege–Modernisierungs-Gesetz (DVPMG)

Referentenentwurf eines Gesetzes zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege
Arzt mit Tablet-PC

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Mit dem Referentenentwurf zum Gesetz zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, die Digitalisierung im Gesundheitswesen weiter voranzubringen und die Versorgung der Versicherten flächendeckend zu verbessern und zu erleichtern. Der Mehrwert digitaler Anwendungen soll durch den weiteren Ausbau für Versicherte und Leistungserbringer noch spürbarer werden. Dazu sollen die bestehenden Projekte wie beispielsweise die digitale Infrastruktur für das Gesundheitswesen (Telematikinfrastruktur [TI]) und die elektronische Patientenakte (ePA) weiterentwickelt und der Ausbau der Telemedizin weiter vorangetrieben werden. Der vdek unterstützt die konsequente Nutzung digitaler Möglichkeiten im Gesundheitswesen. Im Mittelpunkt muss der Nutzen der Anwendungen für die Patientinnen und Patienten stehen. Die Corona-Pandemie zeigt, wie wichtig es ist, das große Potenzial der Digitalisierung im Gesundheitswesen zu nutzen.

Beim Ausbau der Videobehandlung realistischen Zeitplan bedenken

Der vdek begrüßt die Intention des Gesetzentwurfs, die Möglichkeit der Videobehandlung konsequent auszubauen und auch andere Leistungserbringer – etwa Hebammen oder Physiotherapeuten wie auch die Notfallversorgung - dort wo es möglich ist - einzubeziehen. Das gilt auch für die Terminservicestellen, die Videosprechstunden an die Patienten vermitteln sollen. Diese Flexibilisierung der Leistungserbringung und die Nutzung neuer Technologien kommen den Interessen der Versicherten entgegen und können dazu beitragen, dass eine gute flächendeckende Versorgung unabhängig vom Wohnort gewährleistet ist.

Aktuell prüft der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die Möglichkeiten und Grenzen einer Videobehandlung in den unterschiedlichen Heilmittelbereichen. Hierauf aufbauend soll in einem zweiten Schritt geprüft werden, welche Änderungen der Heilmittel-Richtlinien erforderlich wären, um eine Videotherapie durchführen zu können. Dieser Prozess muss abgewartet werden, um die vertragliche Umsetzung zu ermöglichen. Die im Entwurf vorgegebene Frist zur vertraglichen Umsetzung bis zum 30.09.2021 ist unrealistisch. Es wird nicht möglich sein, bis dahin das Bewertungs- und Stellungnahmeverfahren bis hin zur Beschlussfassung im Plenum, der anschließenden Verhandlung mit den Berufsverbänden sowie der im Referentenentwurf vorgesehenen Benehmensherstellung mit diversen Behörden abzuschließen.

Hohe Leistungsausgaben für DiGA begrenzen - Änderung der Vergütungsregelung in Analogie zu den DiPA

Bislang gelten für digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) im ersten Jahr der Zulassung die Herstellerpreise. Erst ab dem 13. Monat wirken die zwischen dem GKV-Spitzenverband (GKV-SV) und den Herstellern verhandelten Preise. Die ersten Erfahrungen mit DiGA zeigen erhebliche Leistungsausgaben für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV), die nicht im Verhältnis zum Nutzen der jeweiligen Produkte stehen. Insofern sollte aus Sicht der Ersatzkassen eine Anpassung der Vergütungsregelungen in Analogie zu den Preisfestlegungen für digitale Gesundheitsanwendungen in der Pflege (DiPA) des Referentenentwurfs erfolgen. Es sind Preisverhandlungen zwischen GKV-SV und DiGA-Herstellern innerhalb von drei Monaten nach Aufnahme der DiGA in das Verzeichnis nach § 139e SGB V zu treffen, die rückwirkend zum Zeitpunkt der Aufnahme wirksam werden. Dadurch können die Kosten für die GKV wirksam begrenzt und gleichzeitig die Planungssicherheit für alle Beteiligten erhöht werden.

Ausweitung der DiGA-Begleitleistungen unbedingt unter Einbezug der gesetzlichen Krankenkassen und ihrer Verbände

Bislang konnten nur ärztliche Begleitleistungen im Zusammenhang mit der Nutzung von DiGA erbracht werden. Dies soll zukünftig auf Leistungen von Heilmittelerbringern und Hebammen erweitert werden. Die Festlegung dieser Leistungen soll analog der ärztlichen Begleitleistungen durch das Bundesinstitut für Arzneimittelsicherheit (BfArM) erfolgen. Zudem erhalten Versicherte die Möglichkeit, Daten aus Hilfsmitteln und Implantaten (z. B. aus Herzschrittmachern oder Hörimplantaten) in digitalen Gesundheitsanwendungen zu nutzen. Um DiGA und konventionelle Behandlungskonzepte besser verknüpfen zu können, macht es aus Sicht des vdek Sinn, dass auch Heilmittelerbringer und Hebammen entsprechende Begleitleistungen erbringen können. Allerdings ist die Festlegung der Leistungen von Heilmittelerbringern und Hebammen allein durch das BfArM nicht zielführend. Das haben die Erfahrungen bei den ärztlichen Begleitleistungen gezeigt. Mehrfach haben die Hersteller gegenüber dem BfArM fehlerhafte Angaben gemacht, die anschließend ins DiGA-Verzeichnis übernommen wurden. Damit werden unklare und mitunter sogar falsche ärztliche Leistungen für DiGA festgelegt. Dies führt bereits heute zu Verzögerungen bei der gesetzlich vorgegebenen Prüfung, ob und in welcher Form vertragsärztliche DiGA-Begleitleistungen in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) aufgenommen werden müssen. Von daher hält es der vdek für dringend notwendig an, die gesetzlichen Krankenkassen, ihre Verbände und jeweiligen Vertragspartner bei der korrekten Beschreibung der Begleitleistungen im vertragsärztlichen Bereich, bei Heilmitteln und Leistungen von Hebammen bei der Beschreibung der Leistungen durch das BfArM mit einzubeziehen. Sie besitzen hierfür das notwendige Know-how.

Mehr Freiraum bei versichertenfreundlichen und barrierefreien Technologien für die Krankenkassen und die gematik

Der Entwurf sieht vor, dass die Krankenkassen bzw. die Gesellschaft für Telematik (gematik) für Versicherte, die über kein mobiles Endgerät (Smartphone) verfügen oder dieses nicht für den Zugriff auf medizinische Anwendungen nutzen möchten, alternative Zugangsmöglichkeiten schaffen sollen, damit ihnen die Nutzung der ePA bzw. der elektronischen Patientenkurzakte sowie des elektronischen Rezepts (E-Rezept) ohne wesentliche Einschränkungen möglich ist. Den Versicherten sollen hierfür Komponenten zur Verfügung gestellt werden, die eine Nutzung über alternative, insbesondere stationäre Endgeräte ermöglichen. Auch soll die gematik eine Lösung über stationäre Endgeräte vorsehen, mit der Versicherte auf die Protokolldaten von elektronischen Verordnungen zugreifen kann.

Es ist sicherlich richtig, den Versicherten eine Technologie bereitzustellen, die die Wahrnehmung der Versichertenrechte ermöglicht. Allerdings hält der vdek es für nicht sachgerecht, dass der Gesetzgeber hier konkrete Vorgaben machen will. Der vdek plädiert darum dafür, dass es den Krankenkassen und auch der gematik freigestellt sein sollte, welche versichertenfreundliche, barrierefreie Technologie sie den Versicherten zur Verfügung stellen.

Anbindung weiterer Berufsgruppen an die TI sollte auf diejenigen beschränkt werden, für die die Nutzung der TI einen wirklichen Mehrwert bringt

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass alle Heil- und Hilfsmittelerbringer sowie zahntechnische Labore und Erbringer soziotherapeutischer Leistungen nach § 37a an die TI angebunden werden. Für die Finanzierung der Erstausstattungs- und Betriebskosten sollen entsprechende Finanzierungsvereinbarungen geschlossen werden. Es ist grundsätzlich sicher auch sinnvoll, die TI weiter auszubauen und den Kreis der Nutzer zu erweitern. Dies gilt allerdings nicht für die zahntechnischen Labore. Diese sind ausschließlich im Austausch mit den Zahnärzten, um ihre Auftragsleistungen zu erbringen. Die ausschließliche Nutzung des TI-Dienstes Kommunikation im Medizinwesen für einen E-Mail-Austausch mit Zahnärzten rechtfertigt nicht die kostspielige Anbindung an die TI und die Zahlung von Betriebskosten.

Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen sollten die gebührenfreie Nutzung wichtiger Informationen zu den Vertrags(zahn)ärzten neben dem Nationalen Gesundheitsportal auch den Krankenkassen und ihren Verbänden zur Verfügung stellen

Mit dem Gesetzentwurf erhält das bereits seit dem 1. September 2020 bestehende Nationale Gesundheitsportal eine Rechtsgrundlage. Damit Versicherten verlässliche Informationen über Vertrags(zahn)ärzte/-psychotherapeuten, ihre Sprechstundenzeiten, Schwerpunkte und besondere Qualifikationen auch in diesem Portal abrufen können, werden die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen über ihre Bundesvereinigungen verpflichtet, kostenfreie Informationen und weitere Angaben dem Nationalen Gesundheitsportal zur Verfügung zu stellen. Der vdek hielt es allerdings für sinnvoll, diese Informationen auch den gesetzlichen Krankenkassen in gleicher Form kostenfrei zur Verfügung zu stellen.

Die Ersatzkassen bieten ihren Versicherten bereits heute eine Vielzahl an wissenschaftlich fundierten und gut verständlichen Gesundheitsinformationen im Internet an. Diese Informationen ermöglichen auch einen Überblick über kassenspezifische, indikationsbezogene Angebote der jeweiligen Krankenkasse. Hierfür könnten die gesetzlichen Krankenkassen die gebündelten Informationen der Kassen(zahn)ärztlichen Bundesvereinigungen sinnvoll nutzen.

Digitale Gesundheitsanwendungen für die Pflege (DiPA) – Regelungen sollten konkretisiert und an die Systematik des SGB XI angepasst werden

Grundsätzlich positiv sieht der vdek auch die Einbeziehung der Pflege bei der Nutzung von digitalen Gesundheitsanwendungen.

Vorgesehen ist, dass digitale Pflegeanwendungen zur Unterstützung von Pflegebedürftigen und pflegenden Angehörigen Teil des Leistungskatalogs der Pflegeversicherung werden. Über die Notwendigkeit der Versorgung mit einer sogenannten DiPA entscheidet die Pflegekasse. Die Aufnahme in ein entsprechendes Verzeichnis erfolgt – analog zu den DiGA – durch das BfArM anhand von Kriterien, die das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) mittels Rechtsverordnung festlegt. Nicht nachvollziehbar ist, dass die Selbstverwaltung dabei nicht eingebunden wird.

Zusätzlich sieht der Referentenentwurf eine Vergütung von maximal 60 Euro monatlich für pflegerische Unterstützung im Zusammenhang mit der DiPA vor. Hier sieht der vdek die Notwendigkeit, die Form der Unterstützung näher zu beschreiben, sowie festzulegen, durch wen diese Leistung erbracht werden soll. Dass die Zuständigkeit für die Definition, was pflegerische Unterstützungsleistungen sind, beim BfArM liegen soll, kann nicht nachvollzogen werden, da das Fachwissen für pflegerische Leistungen und Prozesse dort grundsätzlich nicht vorgehalten wird.

Formal sollte eine Anpassung der Systematik an das SGB XI dahingehend erfolgen, dass der Leistungsanspruch für Pflegebedürftige und nicht für Versicherte besteht.

Da insgesamt bisher wenige Erfahrungen mit digitalen Gesundheitsanwendungen für die Pflege vorliegen, wäre zunächst auch eine Einführung durch zu evaluierende Modellvorhaben vorstellbar.

Höherer Finanzierungsbetrag an die gematik durch die GKV nicht sachgerecht

Im Referentenentwurf ist vorgesehen, dass der jährliche Finanzierungsbetrag, den der GKV-SV an die gematik zahlt von 1 Euro auf 1,50 Euro je Mitglied angehoben wird. Die gematik erstellt jährlich einen Haushaltsplan, der durch die Gesellschafterversammlung der gematik beschlossen wird. Aus dem genehmigten Haushaltsplan wird der Finanzierungsbeitrag abgeleitet, den das BMG dann unter Beachtung der Wirtschaftlichkeit in den letzten Jahren per Rechtsverordnung jeweils angepasst hat. In der Vergangenheit wurde durch die Haushaltsplanung sowohl nach oben als auch nach unten hin von diesem Betrag abgewichen. Von daher ist es nicht sachgerecht und sinnvoll, diesen Betrag per Gesetz prinzipiell zu erhöhen. Kritisch werden auch die weiteren Kompetenzzuwächse der gematik gesehen. So wird die gematik berechtigt, Dienste zu entwickeln und zu betreiben, um die Verfügbarkeit, Sicherheit und Nutzbarkeit der Telematikinfrastruktur sicherzustellen. Zwar kann man durch die diversen Ausfälle von Konnektoren in der Vergangenheit den Auftrag an die gematik grundsätzlich nachvollziehen, aber es sollte insgesamt nicht dazu führen, dass sich die gematik zu einer zentralen Behörde des BMG entwickelt.

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