2. Stellungnahme zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG)

Kabinettsentwurf eines Gesetzes zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung
Symbolbild: Richterhammer und Geldscheine

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Der Gesetzentwurf des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes sichert keine nachhaltige Finanzierung der GKV als eine Säule des sozialen Sicherungssystems. Die Maßnahmen wirken nur kurzfristig für 2023. Positiv ist, dass Leistungskürzungen für die Versicherten der GKV vermieden werden sollen.

Die im Entwurf geplanten Maßnahmen zur Deckung der erwarteten Finanzlücke der GKV von 17 Milliarden Euro in 2023 sind unausgewogen. Die Beitragszahler werden im Vergleich zu anderen Bereichen überproportional stark herangezogen, um die Finanzlücke zu schließen. Nicht nur die absehbaren Beitragssatzsteigerungen und das zurückzuzahlende Bundesdarlehen, sondern auch den Abbau der Reserven der Krankenkassen und des Gesundheitsfonds müssen in erster Linie die Beitragszahler aufbringen. Ihr Anteil liegt bei insgesamt mehr als zwölf Milliarden Euro!

Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat bereits angekündigt, dass der durchschnittliche Zusatzbeitrag 2023 um 0,3 Prozent steigen soll. Im Gesetzentwurf wird nur darauf hingewiesen, dass ein Anstieg der Zusatzbeitragssätze ab 2023 mit dem geplanten Maßnahmenpaket begrenzt werden soll. Dies ist aus Sicht des vdek nicht nachvollziehbar. Es besteht das Risiko, dass aufgrund der geplanten Abschmelzung der Rücklagen bei den Krankenkassen und im Fonds es zu weiteren unterjährigen Beitragssatzsteigerungen in 2023 kommen wird.

Aus Sicht des vdek sollten die gesetzlich angekündigten Beitragssatzsteigerungen nicht auf den Zusatzbeitragssatz aufgeschlagen werden. Seit 2015 ist der allgemeine Beitragssatz der GKV unverändert. Der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz stieg hingegen von 0,9 Prozent in 2015 auf 1,3 Prozent in 2022. Kostensteigerungen durch zum Teil teure Leistungsausweitungen der vergangenen Jahre wurden durch Anhebungen des kassenindividuellen Zusatzbeitragssatzes ausgeglichen. Sollten weitere Beitragssatzsteigerungen nicht zu verhindern sein, sollten diese über den allgemeinen Beitragssatz erfolgen. Hier spielen zudem Nachhaltigkeitsaspekte eine Rolle. Bei einer Anhebung des Zusatzbeitragssatzes müssen die Versicherten jeweils per Brief darüber in Kenntnis gesetzt und auf ihr Sonderkündigungsrecht hingewiesen werden. Bei einer Anhebung des allgemeinen Beitragssatzes entfällt dies. Sollte es bei einer Anhebung des Zusatzbeitragssatzes bleiben, sollte auf diese Schreiben verzichtet werden. Der Verband der Ersatzkassen schließt sich insofern den Forderungen des GKV-Spitzenverbandes an.

Erneut werden Rücklagen des Gesundheitsfonds und der Kassen abgeschöpft – bis auf ein Minimum. Möglichkeiten für Investitionen oder langfristiges Planen sind somit massiv eingeschränkt. Durch die Abschmelzung verbleiben keine Rücklagen mehr, um unterjährige Schwankungen bei den Kassen auszugleichen. Jede weitere Ausgabenspitze droht so auf den Beitragssatz durchzuschlagen. Zudem ist der Abbau der Rücklagen nur ein Einmaleffekt in 2023 und kein Beitrag für eine nachhaltige Finanzierung.

Die Jahre vor Ausbruch der Corona-Pandemie waren geprägt von hohen Vergütungssteigerungen in allen Leistungsbereichen. Es ist daher nicht nachvollziehbar, warum die Leistungserbringer und Pharmaindustrie nicht über einen allgemeinen Solidarbeitrag stärker zu Stabilisierung der GKV-Finanzierung herangezogen werden sollen. Leistungserbringer und Pharmaindustrie tragen zusammen gerade 17 Prozent des geplanten Einsparvolumens. Die Beitragszahler sollen mit 65 Prozent die Hauptlast tragen.

Es ist nicht erklärbar, warum lediglich in der zahnärztlichen Versorgung die Vergütungssteigerungen – allerdings auf einem hohen Niveau – gedeckelt werden sollen. Der vdek fordert als Solidarbeitrag eine deutlich ausgewogenere Verteilung. Etwa durch eine Obergrenze der Vergütungssteigerungen in allen Versorgungsbereichen.

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass das Arzneimittelpreismoratorium um vier Jahre verlängert wird. Aus Sicht des vdek ist es notwendig, dieses Instrument dauerhaft beizubehalten und zu entfristen. Angesichts der aktuellen Inflationsraten sollte der Preisanpassungsmechanismus bis zur Inflationsrate im Preismoratorium für zwei Jahre ausgesetzt werden.

Auch bei den Apotheken besteht über den höheren Apothekenabschlag hinaus noch Einsparpotenzial für eine Entlastung der GKV. Hier sollte aus Sicht des vdek eine Abschaffung der Finanzierung des Botendienstes durch die gesetzlichen Krankenkassen erfolgen, da diese Leistung vormals durch die Apotheken kostenfrei erbracht wurde.

Die Beschränkung der Pflegebudgets auf die bettennahen Pflegekräfte ist zunächst als sachgerecht zu bewerten. Das Problem ist bereits länger bekannt und es ist gut, dass sich die Politik dem annehmen will. Dennoch erscheint der im Gesetzentwurf geplante Weg widersprüchlich. Zunächst sollen die Pflegebudgets gesenkt und im zweiten Schritt die regulären DRG-Fallpauschalen erhöht werden. Ob das in der Konsequenz tatsächlich zu substanziellen Einsparungen führt, ist fraglich. Aus Sicht des vdek sollte hier nachgebessert werden, um sicherzustellen, dass die Doppelfinanzierung aufgrund der kalkulatorischen Verschiebung von Pflegekräften und pflegeähnlicher Berufe ins Pflegebudget rückwirkend und künftig jährlich bereinigt wird.

Die Deckelung der sächlichen Verwaltungskosten der Krankenkassen auf drei Prozent kann nur als Symbolpolitik eingestuft werden. Die damit einhergehen-den Einsparungen in Höhe von 25 Millionen Euro sind der Höhe nach nicht geeignet, das Finanzproblem der GKV zu lösen. Aus Sicht des vdek ist gerade mit Blick auf die allgemeinen Preissteigerungen eine Deckelung der Verwaltungskostensteigerungen unterhalb der aktuellen Inflation nicht sachgerecht. Die Folge wird sein, dass die Infrastruktur der GKV und der Selbstverwaltung verschlissen wird. Positiv ist jedoch, dass neben den Kosten für das Modellprojekt Online-Wahlen auch die Kosten der Sozialwahl 2023 von der Deckelungen der Verwaltungskosten ausgenommen werden soll.

Insgesamt braucht es eine nachhaltige und langfristige Lösung für die Finanzsituation der GKV!

Im Gesetzentwurf findet sich dagegen keine Lösung dafür, wie mit der systematischen Unterdeckung der Gesundheitsversorgung für Arbeitslosengeld (ALG)-II-Empfängern umgegangen werden soll. Die Arbeitslosenversicherung leistet seit Jahren eine zu geringe Beitragspauschale an die GKV, um die tatsächlichen Gesundheitskosten für diese Personengruppe zu decken. Die Differenz belastet die gesamte Solidargemeinschaft in der GKV zusätzlich. Die Unterdeckung beträgt etwa zehn Milliarden Euro pro Jahr.

Ebenfalls sollte die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel auf sieben Prozent gesenkt werden. Es ist nicht erklärbar, weshalb beispielsweise für Schnittblumen oder Hotelübernachtungen der ermäßigte Mehrwertsteuersatz fällig wird, während bei lebenswichtigen Arzneimitteln die vollen 19 Prozent aufgeschlagen werden. Dabei ist die geringere Besteuerung von Arzneimitteln in beinahe allen europäischen Ländern längst Standard. Diese Maßnahme ist aus Sicht des vdek zwingend notwendig, um die Beitragssätze nachhaltig zu stabilisieren. Daraus könnte ein jährliches Einsparvolumen von etwa fünf Milliarden Euro realisiert werden. Zwingend ist auch die im Koalitionsvertrag vereinbarte jährliche Dynamisierung des Bundeszuschusses.

Allein diese beiden Maßnahmen wären geeignet, die erwartete Finanzlücke der GKV substanziell zu verringern, ohne die Beitragszahler weiter zu belasten.

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  1. Paragraphen-Zeichen zusammen mit Stethoskop

    GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG)

    Der Entwurf für ein GKV-Finanzstabilisierungsgesetz zielt auf ein Maßnahmenpaket zur Schließung der 2023 drohenden GKV-Finanzierungslücke in Höhe von rund 17 Milliarden Euro ab. Nachdem ein erster Referentenentwurf im März 2022 kurz nach Bekanntwerden wieder zurückgezogen wurde, folgte Ende Juni 2022 ein neuer Entwurf und Ende Juli der Kabinettsbeschluss. Am 20. Oktober 2022 wurde das Gesetz in 2. und 3. Lesung beschlossen. » Lesen