Stellungnahme zum NotfallGesetz

Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform der Notfallversorgung (NotfallGesetz)
Krankenwagen fahrend in der Stadt

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Am 6. Juni 2024 wurde dem Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek) der Referentenentwurf für ein Gesetz zur Reform der Notfallversorgung, kurz NotfallGesetz, durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) zugeleitet. Zu diesem noch nicht ressortabgestimmten Entwurf nimmt der vdek nachfolgend Stellung.Der vdek sieht eine Reform der Notfallversorgung als dringend erforderlich an und unterstützt das Reformziel einer schnelleren und besseren Steuerung von Hilfesuchenden in die richtige Versorgungebene nachdrücklich. Der mit der Reform angestrebte Effizienzgewinn wird sich jedoch nur dann erreichen lassen, wenn der Rettungsdienst ebenfalls in die Reform einbezogen wird. Dies sollte nachgebessert werden.

Aus Sicht des vdek haben vor allem die geplanten Integrierten Notfallzentren (INZ) als neue übergreifende Versorgungsform zwischen ambulanter und stationärer Versorgung, in denen koordiniert entschieden werden kann, wo und wie Patienten im Notfall am besten behandelt werden können, das Potenzial, Patientenströme effizienter zu leiten und die Notaufnahmen der Krankenhäuser erheblich zu entlasten. Auch der Aufbau spezieller INZ für Kinder und Jugendliche wird begrüßt. Positiv ist auch, dass INZ nicht an allen Krankenhäusern mit einer Notfallstufe, sondern an den geeignetsten Standorten einer Planungsregion eingerichtet werden sollen, soweit mehrere Krankenhausstandorte infrage kommen. Ebenso ist die vorgesehene Möglichkeit der Abweichung von gesetzlich vorgegebenen Kriterien zur Bestimmung der Krankenhausstandorte sinnvoll, um eine Versorgung ländlicher Regionen sicherzustellen. Gleichwohl müssen auch hier zumindest die Voraussetzungen der Notfallstufe “Basisnotfallversorgung” erfüllt sein.  

Es ist richtig, die Gestaltung der Grundstrukturen und die Festlegung der INZ-Standorte im Kompetenzbereich der Selbstverwaltung im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zu belassen sowie auf Landesebene den erweiterten Landesausschuss einzubeziehen. Mit Blick auf die von den Kostenträgern zu tragenden Kosten für den Umbau der Strukturen in der Notfallversorgung sollte sich das Mitspracherecht jedoch nicht nur auf die Festlegung der Standorte, sondern auch auf die Ausgestaltung der INZ erstrecken.

Die Einrichtung gemeinsamer Gesundheitsleitsysteme von Rettungsdienstträgern und Kassenärztlichen Vereinigungen ist aus Sicht des vdek eine Kernvoraussetzung für eine besser funktionierende, effiziente Notfallversorgung. Die geplante Vernetzung der Akutleitstellen mit den Rettungsleitstellen wird daher begrüßt. Aus Sicht des vdek ist die Verpflichtung der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), sie auf Antrag des Trägers der Leitstelle einzurichten, jedoch nicht ausreichend. Das Gesetz sollte vielmehr um eine allgemeine Verpflichtung ergänzt werden.

Die organisatorische Trennung von Terminservicestellen (TSS) und Akutleitstellen ist nachvollziehbar, da die Anforderungen an die Erreichbarkeit zwischen beiden Angeboten sehr unterschiedlich sind. Inwieweit die vorgesehenen Vorgaben ausreichend sind, wird sich jedoch erst mit der Zeit zeigen, da die Gefahr besteht, dass Versicherte im Falle überdurchschnittlicher Wartezeiten bei den Akutleitstellen stattdessen die vermeintlich besser verfügbare 112 kontaktieren. Da die TSS künftig nicht mehr rund um die Uhr erreichbar sind, sollte zudem sichergestellt werden, dass auf digitalem Wege das gleiche Vermittlungsangebot bereitgestellt wird wie bei einer telefonischen Telefonvermittlung. Dies ist in vielen Regionen bei Terminen für bestimmte Fachgruppen derzeit nicht gegeben und im Online-Angebot wird in konkreten Fällen auf die telefonische Vermittlung verwiesen. Damit es durch die Verringerung der Erreichbarkeit nicht zu Einschränkungen im Serviceangebot kommt, sollte hier eine weitere Klarstellung erfolgen.  

Positiv bewertet wird auch der Ausbau der notdienstlichen Akutversorgung der KVen durch eine Verpflichtung zur durchgängigen Bereitstellung einer aufsuchenden Akutversorgung auch mit telemedizinischen Mitteln. Durch die neu Anforderung einer Rund-um-die-Uhr aufsuchenden Versorgung entstehen jedoch erhebliche Kosten, die nur dann zu rechtfertigen sind, wenn parallel die Nutzung des Rettungsdienstes reformiert wird. Der Ansatz, für den aufsuchenden Dienst auch entsprechend qualifiziertes nichtärztliches Personal einsetzen zu können, ist in jedem Fall zu begrüßen. Anderenfalls wäre zweifelhaft, ob die hier notwendigen personellen Ressourcen überhaupt gewonnen werden können. Aus Sicht der Ersatzkassen sollte der Besuchsdienst jedoch im Regelfall durch dieses Personal sichergestellt werden. Bereits heute wird eine große Zahl von Hausbesuchen durch nichtärztliche Praxisassistent:innen durchgeführt. In der Häuslichkeit der Patienten bzw. im Pflegeheim kann bei Bedarf ärztliches Personal in den Akutleitstellen per Video eingebunden werden.

Finanzwirkung

Die im Referentenentwurf geschätzten Einsparpotentiale von 1 Milliarde Euro jährlich sind nicht realistisch. Die Finanzierung des Aufbaus der INZ über den Struktur- und damit perspektivisch über den Transformationsfonds führen zu erheblichen Mehrausgaben, die von der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zur Hälfte getragen werden sollen. Ebenso wird der Aufbau einer Akutleitstelle und der aufsuchenden Versorgung erhebliches Investitions- bzw. Startkapital erfordern. Einsparungen im stationären Sektor durch eine geringere Leistungsinanspruchnahme sind zwar denkbar, werden aber hinsichtlich der monetären Wirkung durch die Einführung einer Vorhaltekostenfinanzierung stark abgeschwächt. Insofern ist von deutlichen Mehrausgaben und nicht Einsparungen auszugehen. Schlussendlich kann der Umbau und die Reduzierung kostenintensiver Strukturen erst dann erfolgen, wenn auch die Nachfrage nach Rettungsdienstleistungen zurückgeht. Darüber hinaus sind hierfür grundsätzliche Reformen der Rettungsdienststrukturen erforderlich. Bedauerlich ist daher, dass die Reform der Notfallversorgung bisher nicht mit der ebenso notwendigen Reform des Rettungsdienstes verknüpft wird.