Morbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA)

Der Risikostrukturausgleich (RSA) ist das Kernelement der solidarischen Wettbewerbsordnung in der GKV. Seit 1996 können alle Versicherten ihre gesetzliche Krankenkasse frei wählen, die gewählte Krankenkasse muss den Versicherten aufnehmen (Kontrahierungszwang). Krankenkassen haben aber eine ungleiche Versichertenstruktur: Einige haben überdurchschnittlich viele gut verdienende und gesunde Versicherte, andere versichern überdurchschnittlich viele kranke Menschen und Beitragszahler mit niedrigem Einkommen. Der RSA soll deshalb dafür sorgen, dass zwischen den Krankenkassen faire Wettbewerbsbedingungen herrschen und Risikoselektion verhindert wird.

Bis 2008 wurde im RSA die Morbidität der Versicherten jedoch nur indirekt erfasst, und zwar über die Merkmale Alter, Geschlecht und Bezug einer Rente wegen Erwerbsminderung. Für die Jahre 2002 bis 2008 wurden ergänzend auch chronisch Kranke gesondert berücksichtigt, wenn sie in einem zugelassenen, strukturierten Behandlungsprogramm (Disease Management-Programm, DMP) eingeschrieben waren. Mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) wurde das Verfahren des RSA ab dem 1. Januar 2009 neu ausgestaltet und darüber hinaus durch die gleichzeitige Einführung des Gesundheitsfonds vereinfacht.  Der Gesetzgeber hat den Risikostrukturausgleich im Jahr 2009 durch die direkte Einbeziehung der Morbidität als Risikofaktor (Krankheiten und Krankheitsgruppen) neu justiert.

Der morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) soll dafür sorgen, dass aus bestehenden Unterschieden in der Versichertenstruktur zwischen den Krankenkassen keine ungleichen Wettbewerbschancen resultieren.

Diese Aufgabe erfüllt der Morbi-RSA in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung nicht ausreichend. Die Verteilungswirkungen des Risikostrukturausgleichs führen zu einer finanziellen Ungleichbehandlung der Krankenkassen. Fundamentale Voraussetzung für ein System mit einem funktionierenden Wettbewerb zwischen den Kassen bildet aber ein gerecht justierter Risikostrukturausgleich. Schon seit einigen Jahren reklamieren die Ersatzkassen dringenden Reformbedarf beim Morbi-RSA. Ein unverändert bestehender Deckungsbeitragsunterschied von rund 2,3 Milliarden Euro (Schlussausgleich 2017) zwischen AOK einerseits und Ersatzkassen andererseits ist wettbewerbsrelevant und Ausdruck der Fehlsteuerung. Deshalb besteht dringender Weiterentwicklungsbedarf.

 

Im GKV-Versichertenentlastungsgesetz (GKV-VEG) wurde festgeschrieben, dass bis zum 31. Dezember 2019 der Morbi-RSA fortentwickelt werden soll. Mittlerweile liegen zwei Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesversicherungsamt (BVA) vor, die sich mit der Weiterentwicklung des Morbi-RSA befassen und die klare Empfehlungen für eine dringend notwendige Weiterentwicklung des Morbi-RSA geben. Mit den vorgeschlagenen Maßnahmen sollen die von den Gutachtern festgestellten wettbewerblich relevanten Über- und Unterdeckungen vermieden werden.

Im Lichte der gutachterlichen Expertise fordern die Ersatzkassen die Weiterentwicklung des Morbi-RSA mit folgenden Reformelementen:

  1. Der Morbi-RSA wird um eine Regionalkomponente ergänzt.
  2. Beim Merkmal Erwerbsminderungsrentner (EMR) wird zumindest eine Alters-Schweregrad-Differenzierung eingeführt.
  3. Altersinteraktionsterme werden eingeführt.
  4. Die DMP-Programmkostenpauschale wird gestrichen.
  5. Ein Hochrisikopool wird eingeführt.
  6. Bei der Krankheitsauswahl ist auf den Schweregrad abzustellen.

Gleichzeitig sind Kodierrichtlinien verbindlich einzuführen. Das reicht allerdings nicht aus. Darüber hinaus muss auch das Aufsichtshandeln einheitlich werden. Die Aufsichtsführung über die Krankenkassen ist auf Bundes- und Landesebene immer wieder uneinheitlich. Monopolkommission und Wissenschaftlicher Beirat stellen fest, dass dieses uneinheitliche Aufsichtshandeln zu Wettbewerbsverzerrungen führt. Eine Zentralisierung der Aufsichtszuständigkeit beim BVA wäre hinsichtlich Wettbewerbsneutralität und Verwaltungseffizienz optimal. Mindestens aber muss bei einer Neuordnung die Aufsichtszuständigkeit für die einnahmeseitigen Belange der Krankenversicherung beim BVA liegen, damit wenigstens sichergestellt werden kann, dass die Generierung von Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds nicht durch unterschiedliches Aufsichtshandeln verzerrt wird.

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